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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Autoren: Oskar Maria Graf
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dabei mit gehorsam-stumpfer Standfestigkeit für eine fremde Sache in den Tod.
    Ihr Kurfürst floh, wurde vom Kaiser geächtet, mußte das Land verlassen und verlebte als Statthalter von Brüssel viele Jahre ungemindert verschwendungssüchtig. Die wilden Regimenter der Panduren und Kroaten der kaiserlichen Reichsarmee überfluteten Südbayern und hausten grausamer und zügelloser als einst die Schweden. Bayern wurde zunächst als von Habsburg verwaltetes Reichsland erklärt. Die fremden Beamten erpreßten unmögliche Kontributionen und Steuern, die kriegerischen Eindringliche brandschatzten ganze Gegenden, nahmen Rekrutenaushebungen für die kaiserliche Armee vor und folterten oder füsilierten Widerspenstige zu Hunderten.
    Seit jeder nur denkbaren Zeit war das überwiegend bäuerliche Volk dieser hart heimgesuchten Landschaften fast gleichgültig obrigkeitstreu gewesen. Das hatte seine Ursache darin, daß seinen Menschen der Gott der katholischen Kirche stets näher lag als irgendeine vergängliche weltliche Macht. Altgewohnt erfüllten sie die Pflichten, die ihnen ihr Glaube auferlegte. Religiöse Einrichtungen allein waren ihnen geläufig und wichtig. Den Namen des Bischofs und des jeweiligen Papstes wußten sie, den des Landesherrn nur in den seltensten Fällen. Mit friedlicher, geduldiger Ruhe hatten sie bis jetzt jede Herrschaft – ob sie nun ein Fremder oder ein Einheimischer ausübte, ob sie gut oder schlecht, ungerecht oder selbst grausam sein mochte – widerstandslos ertragen. Das Blutregiment der Kaiserlichen aber war ohnegleichen in ihren Erinnerungen. Das ertrugen auch sie nicht mehr. Etwas noch nie Dagewesenes ereignete sich: die gepeinigten Oberländer Bauern erhoben sich gegen ihre Unterdrücker!
    Man weiß, daß ihr finsterer Heerbann – dreitausend zu allem entschlossene Männer – in der Christnacht anno 1705 gegen München zog, aber schon vorher von einem frommeifrigen Pfleger aus Starnberg verraten worden war und beim Dorfe Sendling vergeblich verblutete. Nach dem unbeschreiblichen Gemetzel durchstreiften berittene Panduren-Abteilungen in rachsüchtigem Blutdurst das umliegende Land und kamen auch in die Aufkirchener Gegend. Überall suchten sie nach Rebellen, denn es war ruchbar geworden, daß einige Überlebende der Schlacht elend fliehend durch die Gaue zogen und sich in Wäldern oder abgelegenen Heuhütten versteckt hielten. Es gab hochnotpeinliche Verhöre, gräßliche Schindereien, Häuser brannten nieder und Menschen wurden umgebracht.
    Das schon erwähnte Aufkirchener Mirakelbuch gibt einige Namen von Flüchtlingen an, die nach vielem Schrekken mit dem nackten Leben davongekommen waren. Unter anderen wird – der damaligen Schreibweise entsprechend – ein Georg Heimbrath aus Beuerberg genannt, der im dortigen Kloster Bäcker gewesen sein soll. Viele Stunden hatte er sich, bis zum Halse in der eiskalten Jauchegrube stehend, immer wieder den Kopf untertauchend, verborgen gehalten.
    Es ist höchst zweifelhaft, ob dieser aufrechte Mann mit dem Heimraths von Aufkirchen verwandt war. Soviel man auch forschen mag, nie findet man unter ihnen einen, der etwas anderes gewesen ist als Bauer, und nach ihrer durch Generationen verfolgbaren Veranlagung waren sie alle unkriegerisch, ganz und gar nicht rebellisch, stumpf obrigkeitsgetreu und gottergeben. Seitdem der Fluch auf ihrem Hause lastete, schien jener fein witternde, schlaue, sichere Instinkt, der ihren Vorfahr aus dem Dreißigjährigen Krieg ausgezeichnet hatte, in jedem von ihnen verweht zu sein. Wie angstvoll lammfromm und engstirnig untertänig sie sich in der Pandurenzeit verhielten, geht schon daraus hervor, daß die Heimraths als einzig sichere Leute vom Pfarrer dazu auserkoren wurden, mit ihrem Fuhrwerk das bedrohte Gnadenbild im Sommer 1704 in die Augustinerkirche nach München zu fahren, und am 24. März 1705 abermals den Auftrag erhielten, dieses heilige Bild von der Hauptstadt an der Spitze einer feierlichen Prozession zurückzubringen. Diese erste sichtbare Ehrung durch die Kirche blieb bei ihnen unvergessen, und der Vater der Resl, der jetzige Heimrath, der damals noch gar nicht zur Welt gekommen war, erinnerte sich noch genau an die Schilderung, die er als kleiner Knabe aus dem Munde seines eisgrauen Großvaters gehört hatte. So als sei er selbst leibhaftig dabei gewesen, berichtete er sie wieder seinen Kindern, und wie oft er es auch erzählen mochte, jedesmal wurde es fast feierlich still in der Kuchl. Die Kinder
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