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Das Kuckucksei

Das Kuckucksei

Titel: Das Kuckucksei
Autoren: C.J. Cherryh
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fürchtete. Er war der Inhalt seines Alptraumes.
    »Ah!« rief Duun im zurücksinken und zog Dorn auf sich. »Du hast mich erschreckt! Du hast mich erschreckt ...« Um ihm die obere Hand zu reichen. Er besaß keinen Stolz in dieser Beziehung.
    »Duun!« schrie Dorn und kuschelte sich an ihn.
    Manchmal bedeuteten die Gene mehr als die Erziehung. Das Fremdartige. Dorn klammerte sich an das, was ihn ängstigte.
    »Duun, Duun, Duun ...«
    Duun hielt ihn fest. Das war alles, was Dorn begreifen konnte.
     
    Eines Tages entdeckte Dorn beim morgendlichen Bad die eigene, nackte Haut. Dorn rieb mit einem rauhen Schwamm an Duuns Bauch und an seinem eigenen, ließ dann den Schwamm fallen, legte sich beide Hände auf den Bauch und rieb nachdenklich daran. Als er wieder aufblickte, zogen Gedanken hinter seinen Milchund-Sturm-Augen vorbei, und die Stirn war leicht gerunzelt. »Glatt«, beschrieb er sich selbst. Er sprach nicht so schnell wie ein Shonun-Kind, aber Mund und Zunge waren bei ihm ja auch anders beschaffen. »Glatt.«
    Vielleicht hätte er gefragt, falls es seinem jungen Verstand eingefallen wäre, wann denn sein eigenes Fell wachsen würde. Auf dem Kopf hatte er reichlich Haare, wuschelige Locken, deren Färbung sich endlich als ein blasses, irdenes Braun herausgestellt hatte. Die Augen hatten sich nicht verändert. Jetzt war ein gefährlicher Moment gekommen.
    Duun hob Dorn aus dem Badewasser und hielt ihn vor dem Spiegel fest an sich gedrückt. Dorn hatte schon Spiegel gesehen. Einen besaß er als Spielzeug. Auch in diesem Spiegel hatte er sich schon oft gesehen.
    Heute war Kummer in Dorns jungen Augen zu erkennen, Kummer und Nachdenklichkeit. Dorn hatte noch nie ein Shonun-Kind gesehen. Er hatte auch, von den Meds abgesehen, noch nie andere Shonunin gesehen. Vielleicht dämmerte ihm etwas Schreckliches, zusammengesetztes aus kleinen wortlosen Teilen, aus Spiegelbildern, glatten Bäuchen, einem Organ, das Wasser in einem weiten Bogen hervorstieß, was eine Zeitlang ärgerlicherweise sein am stärksten ausgeprägtes Talent gewesen war. Er breitete die fünffingrige Hand vor Dornim-Spiegel aus, in einer Geste, die gedacht war, Krallen auszufahren, die dies aber nicht zuwege brachte. Er schnitt Grimassen vor diesem anderen Dorn, als wolle er ihm einen Schrecken einjagen, daß er floh. (Geh weg, häßlicher Dorn!) Er beugte wieder die Finger. Zog Gesichter.
    Duun drehte ihn vom Spiegel weg. Ließ ihn auf dem Arm hopsen, um ihn abzulenken.
    Danach erwähnte Dorn die Unterschiedlichkeit ihrer Häute nicht mehr. Aber hin und wieder ertappte ihn Duun bei Äußerungen anderer Art: Einem Augenblick der Ruhe, wenn Dorn, neben ihm liegend, eine Hand ausstreckte und seinen Arm streichelte, dabei das Fell hin und her strich. Einmal, als Dorn Duuns Handfläche bequem nach oben gewandt vorfand, zog er sie über Duuns Schoß näher an sich heran und spielte mit ihr, befingerte ihre andersartige Geometrie, bearbeitete hartnäckig die Finger, um die Krallen herauszulocken. Duun kam ihm entgegen. Es war seine rechte Hand. Was Dorn erforschte, war jedoch nicht die Verkrüppelung, sondern eine Fähigkeit, auf die er gewiß neidisch war; und Duun bemerkte plötzlich eine Stille in dem Kind, eine Verschwiegenheit, die ganz unbemerkt gewachsen war, einen kleinen abgetrennten Ort, der ein unabhängiger Geist war. Dorn hatte eine Eigenpersönlichkeit entwikkelt, ein Selbst, das hervorkam, um die Welt zu erkunden, und sich dann wieder mit Brocken von ihr zurückzog, die sorgsam prüfend und mit anderen Wahrheiten verglichen werden mußten (Zeichen eines differenzierten Verstandes). Dorn hatte einen Selbstschutz entwickelt, denn er war, wie es schien, von seinem Körper enttäuscht. Sich der eigenen Mißgestalt bewußt. Und wahrhaftig nicht der Duuns. Duun war einfach Duun. Duun hatte schon immer Narben gehabt; sie gehörten zu dem Hatani, wie die Sonne zur Welt gehörte. Eine Vergangenheit existierte nicht. Dorn hatte sie nicht erlebt, und deshalb konnte er sie sich auch nicht vorstellen.
    Aber Dorns Hände waren nicht so beschaffen wie die Duuns. Auch seine Haut nicht. Und Dorn machte sich jetzt Sorgen, argwöhnte eine Unausgeglichenheit in der Welt.
    Duun drückte ihn fest an sich, wie er es getan hatte, als Dorn noch kleiner gewesen war, rollte ihn auf seinen Schoß und stupste ihm in den Bauch; Dorn widersetzte sich dem kurz und krümmte sich, aber dann gab er endlich nach, quietschte und lachte und unternahm einige gescheiterte Versuche,
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