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Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Titel: Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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namens Moskau, die unheimlich weit vom Meer entfernt liege. Und außerdem behauptet er, es gebe diese Frau sicher gar nicht, ich würde mir das ausdenken. Da wäre gar keine Frau und auch keine so steife Hafergrütze, dass man sie kauen müsste. Wenn es sie aber doch gebe, sei sie bestimmt eine ganz gewöhnliche Frau, spreche wie andere auch, trüge ein Kleid und ihre Hände suchten ständig einen Lappen zum Abwischen.
    »Wart nur ab«, sage ich.
    Wir betreten den Hauseingang, gehen die Treppen hinauf. Ich öffne die Tür, ich triumphiere.
    Die Frau steht im Wohnzimmer und schaut aus dem Fenster. Zu meinem Entsetzen hält sie einen Lappen in der Hand. Sie hat schwarzes Haar, das an einen schläfrigen Raben erinnert. Sie ist fast genauso groß wie Papa, und obwohl eklig viel Fett an dem Fleisch ist, das sie aus dem Topf angelt und das ich am Abend zuvor am liebsten wieder ausgespuckt hätte, bis ich Vaters flehenden Blick auffing, ist sie selbst kein bisschen fett. Sie ist sogar schlank, sehe ich jetzt in dem Tageslicht, das das Fenster einlässt. Sie ist dünner als andere Frauen in unserem Block. Sie schaut aus dem Fenster und scheint Petur und mich nicht zu bemerken. Es ist seltsam, sie jetzt zu betrachten. Es sieht aus, als wenn jemand sie verloren hätte. Ich sehe aus den Augenwinkeln, wie sich Petur aufrichtet und ein Lächeln über sein Gesicht huscht. Wahrscheinlich habe ich sie so beschrieben, dass er sich auf ein grauenerregendes, drei Meter großes Ungeheuer mit behaarten Armen und scharfen Zähnen von der Größe eines Fleischermessers gefasst gemacht hat. Ich hasse Peturs aufgerichteten Rücken. Ich hasse sein Grinsen. Da dreht sie sich um, und Petur duckt sich, sein Grinsen rutscht ihm zurück in den Hals und bis in den Magen. Sie dreht sich um, und ihre Miene ist härter als ein Fluch. Es ist, als würde sie etwas von uns fordern, und das Schweigen öffnet sich vor uns wie ein schwindelerregender Abgrund.
    Petur ist verschwunden.
    Ich strecke meine rechte Hand nach ihm aus, um ihn in mein Zimmer zu ziehen, doch er ist weg. Petur ist das Geräusch trampelnder Füße, die die Treppen hinablaufen, er ist das Zuschlagen der Haustür. Ich gehe langsam und vorsichtig in mein Zimmer, ihre Augen verfolgen mich wie zwei Büchsenläufe. Ich setze mich zu meiner britischen Armee. Petur hat jetzt die Hosen voll, obwohl sie in der Tschechoslowakei viel Kohle abbauen. Später gehe ich noch einmal zu ihm rüber, und bald spricht es sich herum, dass jeden Morgen diese Frau aus Vaters Schlafzimmer kommt, die furchteinflößender ist als der schlecht gelaunte Griesgram auf der zweiten Etage, als die saftigen Flüche des Alten auf der dritten und geheimnisvoller als Söbekks Frau, die nie aus ihrem Range Rover steigt und lediglich ein Schatten hinter beschlagenen Scheiben ist. Bald werde ich berühmt, und ein Mädchen, das im ersten Stock links wohnt, wirft mir Blicke zu. Es heißt Gunnhildur und ist wie ein Komet, der von der Sonne kommt.

Die Macht des Schweigens
    Das Schweigen der Frau ist ein weites Meer, das man nur schwer überwinden kann. Papa räuspert sich am Abend und lobt das Essen. Papa räuspert sich am Abend und lobt das Wetter. Papa räuspert sich am Sonntag und verkündet, er brauche eine neue Wasserwaage. Papas Räusperer sind kleine Steine, die das Meer verschluckt, seine Worte Vögel, die unstet über der Meeresoberfläche flattern und in der
    Ferne verschwinden. Manchmal nickt die Frau mit dem Kopf, und man glaubt, sie habe eine Rede gehalten. Es hat wirklich eine besondere Bewandtnis mit diesem Schweigen. Ich komme langsam auf den Gedanken, es könne manchmal ganz gut sein, zu schweigen. Mir dämmert allmählich, Schweigen verleihe einem Macht. Also gehe ich in einen neuen Tag hinaus und schweige; die anderen Jungen weichen vor meinem Schweigen zurück. Da kommt der fiese Frikki, der schon elf ist und mindestens drei Jungen pro Tag verprügelt. Er packt mich, dreht mir den Arm um und spuckt mir in die Haare, ich aber blicke ihn nur unbewegt und schweigend an. Völlig verwirrt lässt er mich los. Ich nehme mir vor, viele Tage lang zu schweigen. Das Schweigen ist eine Eisenkeule. Der Teufel erhebt sich mit seiner schrecklichen Fratze aus dem Boden. Ich aber stampfe ihn mit meinem Schweigen zurück in die Erde.

Kaum etwas ist so erfreulich wie ein gefüllter Beutel
    Dann klingelt das Telefon.
    Ich bin allein zu Hause. Tage sind vergangen.
    Sie sind zu Wochen geworden, und doch ist es noch weit bis zum
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