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Das Joshua Gen (German Edition)

Das Joshua Gen (German Edition)

Titel: Das Joshua Gen (German Edition)
Autoren: Andreas Krusch
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mehr schmerzte Vince ihre Schönheit. Sie trug ihr rotbraunes Haar wieder länger, und sie hatte abgenommen. Aber nicht für ihn. »Du weißt, dass das hier gegen die Regeln ist.«
    Er nickte.
    »Henry darf auf keinen Fall davon erfahren. Also, wo ist das Geschenk für deinen Sohn?«
    »Kann ich Max sehen?«
    »Zweimal im Monat, ja. Nur leider ist heute nicht einer dieser Tage.«
    »Marian, bitte, er hat Geburtstag.«
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Entweder du gibst das Geschenk jetzt mir, oder du nimmst es gleich wieder mit, Vince.«
    »Das kannst du nicht machen!«
    »Ruf doch den zuständigen Richter an.«
    Vince bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Ich bin sein Vater, Marian. Lass ihn mich sehen, nur zwei Minuten.«
    »Du hattest so viele Chancen, sein Vater zu sein. So viele Minuten – zehn Jahre voller Minuten! Aber du hast ja die Hälfte davon lieber in Gefängnissen verbracht!«
    »Verdammt, Marian, so darfst du mit mir nicht reden.« Vince ballte die Fäuste. »So nicht!«
    »Und was willst du dagegen tun? Mich wieder schlagen?!«
    Das Kinderlachen hinter dem Haus war verstummt.
    Ein blässlicher Junge mit rotbraunen Locken und zwei bunten Luftballons in den Händen war an der Hausecke erschienen. Er trug eine hellblaue Baseballjacke mit Stick-Emblem. »Wir haben laute Stimmen gehört. Ist was nicht in Ordnung, Ma?«
    »Nein, Kind, es ist nichts, es war nur –«
    »Dad!«
    Vince genoss die Freude im Gesicht seines Sohnes.
    »Zwei Minuten!«, zischte Marian ihrem Exmann zu.
    Er drückte den Jungen an sich, hob ihn hoch. Sein Sohn erwiderte die Umarmung. Vince schluckte gegen die Tränen an. »Alles Gute, Max. Alles Gute zu deinem elften Geburtstag«, wünschte er und atmete den Duft seines Sohnes tief ein, um ihn niemals zu vergessen. »Wie ist deine Feier? Hast mächtig Spaß, was?«
    »Klar! Meine Freunde sind da, und auch ein paar Mädchen aus der Schule. Wir haben Luftballons mit Wasser gefüllt und bewerfen sie damit.«
    Vince lachte. Es war ein so gutes Gefühl.
    »Dad, wo ist denn mein Geschenk? Du hast es doch nicht etwa vergessen?«
    Marian betrachtete Vince genüsslich. So lächeln Schlangen, dachte er.
    »Ja, wo ist sein Geschenk?!«, riefen die anderen Geburtstagsgäste. Sie hatten sich um Vince und seinen Sohn versammelt. Zehn Kinder zählte er, und alle beobachteten sie ihn. Vince wurde plötzlich eiskalt. »Es ... es ist im Wagen. Ich hole es!« Er musste hier weg. Bevor sich ihre Blicke auf seine Schuhe richten würden, auf die dunklen Ränder daran, dunkel von noch feuchtem Blut.

    Sie starrten darauf. Das so lang erwartete heilige Tuch aus Edessa war voller Flecken. Der junge Kaiser wich zurück. Was er auf dem Leinen sah, war nicht der wundersam strahlende Körper der Legende – es war Todesschweiß, Blut und eine grässliche Wunde von einem Lanzenstich im Brustkorb des Mannes, dessen Abdruck sich vor über neunhundert Jahren in das Tuch gezeichnet hatte.
    »Falte es zur Gänze auf. Die Wunden der Nägel will ich betrachten.«
    Der Diener des Kaisers folgte dem leisen Befehl mit einiger Mühe, denn das Tuch war sehr lang. Es blieb kaum Platz in dem kleinen Gewölbe tief unter der Hagia Sophia, der Krönungskirche der oströmischen Kaiser in Konstantinopel.
    Kaiser Konstantinos schritt schweigend das mehr als vier Meter lange, grob gewebte Tuch ab.
    »Wieso sind die Hände seines Dieners mit Leder umhüllt?«, flüsterte der höchste Beamte der Stadt im Rücken des Herrschers. Der neben ihm wartende Priester antwortete ebenso leise: »Es heißt, wer das Tuch mit bloßer Hand berührt und nicht reinen Glaubens ist, der wird verbrennen.«
    »Ach, darum gaben es die Araber also zurück, und ich dachte, es waren die 12.000 Silberdenare«, spottete der Beamte.
    »Ihr glaubt nicht an die Macht des Grabtuches? Das solltet Ihr aber!«, empörte sich der Priester.
    »Ich sehe keine Macht, nur ein schmutziges Stück Stoff!«
    Der Kaiser von Byzanz wandte sich den streitenden Männern zu. »Dann fasst es doch an, mein hoher Beamter ...«
    Es wurde still in der Kammer.
    Konstantinos ließ den Beschämten stehen und kniete sich zu dem, der das Tuch aufgefaltet hatte. Gemeinsam betrachteten sie die Wunden des Martyriums. Tief war das Blut des Gottessohnes in das Leinen gedrungen.
    »Was denkst du, mein treuer Diener?«, fragte der Kaiser.
    »Es wird Leid bringen«, antwortete der Mann mit den verhüllten Händen. »Und Tod.«

    »Drei Tote?! Musste das sein?!«
    »Ja.«
    Die knappe Antwort
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