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Das Joshua Gen (German Edition)

Das Joshua Gen (German Edition)

Titel: Das Joshua Gen (German Edition)
Autoren: Andreas Krusch
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ich auch schon alarmiert, du kommst da nicht mehr raus, du Schwein!«, schrie die Alte hinauf.
    Bloß keine Polizei! Vince stürzte zurück in die Wohnung der jungen Frau. Feuerleiter, schoss es ihm durch den Kopf. Wo ist die Feuerleiter?! Er sprang über den Toten hinweg und rannte weiter den Flur hinunter, rannte zum letzten Zimmer, rannte direkt hinein.
    Der See nahm ein Drittel des Zimmers ein. Er war rot. Er war aus Blut. Vince würgte. Er stand mitten darin, sah mit an, wie es seine Schuhe färbte, sah die zwei Männer, bleich und verkrümmt lagen sie am anderen Ufer des roten Sees. Dahinter stand die junge Frau. Sie stand vor einer weißen Wand voller Fotografien. »Ein Foto fehlt«, erklärte sie, und die Pistole in ihrer Hand zielte auf Vince’ Gesicht. Aus dem Flur dröhnte Gebell heran. Die Alte hatte ihren Hund nicht mehr halten können. Oder wollen. Vince schmiss die Zimmertür zu. Das Tier donnerte dagegen und begann, wie wild an dem Holz zu kratzen.
    »Ein Foto fehlt«, wiederholte die junge Frau.
    Vince stemmte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Sie ließ sich nicht verriegeln, sie erbebte unter der Kraft des Tieres. »Die Feuerleiter?! Welches Fenster?!«, schrie er verzweifelt. Sie zielte immer noch auf ihn. Ihre Hand zitterte. Schließlich zeigte sie mit der Waffe auf das linke Fenster. Es stand offen. Er rannte los, packte ihren dünnen Arm und schlug ihn gegen die Wand. Die Pistole fiel zu Boden. »Ich habe das Foto nicht genommen«, flüsterte die junge Frau. Er zerrte sie mit sich. Sie war die einzige, die bezeugen konnte, dass er mit dem Schlachthaus hier nichts zu tun hatte. Er schob sie durch das Fenster hinaus und kletterte hinterher. Aus den Augenwinkeln sah er den Schäferhund kommen. Direkt vor den gelblichen Reißzähnen knallte Vince das Schiebefenster herunter.

    »Für mich klingt das nach einem zweitklassigen Thriller.«
    »Immerhin ist es ein Anfang, Dr. Burke.«
    »Es ist wirres Zeug, Mrs. Linney.«
    »Sie haben Ihr Urteil über meinen Mandanten also schon gefällt?«
    Er schwieg, betrachtete sie. Sie war mittelgroß, schlank, blass. Er schätzte sie auf Vierzig, durchaus attraktiv, aber zu unterkühlt, zu verbissen in die Rolle der erfolgreichen Anwältin. Die Arme will es ihrem Vater wohl immer noch beweisen. Ihr verkniffener Mund unter der rahmenlosen Brille, ihr strenger blonder Zopf, das steingraue Businesskostüm, alles bestärkte seinen Eindruck. Chronische Minderwertigkeitsgefühle, diagnostizierte der Mann in dem Arztkittel, verursacht durch das übergroße Vorbild des Vaters.
    »Mein Mandant«, fuhr die Frau vor seinem Schreibtisch fort, »wurde vor gut zwei Wochen orientierungslos und verletzt an einem Highway aufgefunden. Er konnte nur seinen Vornamen nennen, gab aber sonst keinerlei Hinweise auf das, was ihm geschehen war ... Inzwischen spricht er darüber.«
    »Was der Mann spricht, ist wirres Zeug, ich sagte es schon.« Dr. Reynold Burke erhob sich. »Lassen Sie uns das Gespräch in der nächsten Woche fortführen. Vielleicht fällt Ihrem Mandanten bis dahin etwas ein, das vernünftiger ist als das hier.« Er schob die dünne Akte zu ihr zurück. »Guten Tag, Mrs. Linney.«
    Sie ignorierte die ausgestreckte Hand. » Miss Linney, einfach nur Miss ... und was das Gedächtnis meines Mandanten angeht, da könnte es vielleicht helfen, seine Tablettendosis zu senken. Ihre Medikamente lassen ihm kaum eine Chance auf einen klaren Gedanken, Dr. Burke.«
    »Und seine Gewaltbereitschaft lässt uns keine Chance, Miss Linney. Immerhin wurde einer unserer Pfleger von ihm angegriffen und verletzt. Solange also Ihr Mandant hier Patient ist, werden er und Sie mit den notwendigen ärztlichen Maßnahmen leben müssen ... Sie finden selbst hinaus?«
    Margaret Linney klemmte sich die Akte unter den Arm und verließ das Büro des Klinikleiters ohne ein Wort. Draußen auf dem Gang trat sie an eines der großen vergitterten Fenster. Seltsam, dachte sie nach einem langen Blick hinaus, seltsam, dass es die schönsten Parks immer in Nervenheilanstalten gibt. Dann dachte sie an ihren Mandanten. Wann würde ihm bewusst, dass er sich in solch einer Heilanstalt befand? Wann würde er die Welt der Vergangenheit verlassen? Noch lebte er nur dort, bei seinen Erinnerungen. Ein paar davon füllten nun seine Akte. Margaret hatte sie notiert, an seinem Bett stehend, in dieser engen weißen Zelle. Vince hatte einfach vor sich hin gesprochen. Mit offenen Augen hatte er dagelegen. Doch sie hatte er
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