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Das Ist Mein Blut

Titel: Das Ist Mein Blut
Autoren: Sigrun Arenz
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ist auch danach.« Aber insgeheim war sie dankbar, dem ungenießbaren Kaffee, den langweiligen Akten und der tristen Aussicht ihres Büros auf den Polizeiparkplatz zu entkommen. Eine halbe Stunde später fuhr sie durch einen leichten Nieselregen auf der B 13 am Altmühlsee vorbei, dessen Ufer wie von grauen Schleiern verhangen waren. Spätestens als sie die Ortseinfahrt von Gunzenhausen passierte, fühlte sie sich zwanzig Jahre in der Zeit zurückversetzt. Sie mochte das Gefühl nicht. Die winzigen Bauernkäffer, die kleinen Städte mit ihren schmucken Fachwerkhäusern, die wie Spielzeug aussahen, und den stolzen kleinen Kirchtürmen. Die trägen Sommernachmittage, an denen das Summen der Wespen und das Brummen der Traktoren zu einem einzigen einschläfernden Laut verschmolzen. »Raus hier«, war über Jahre hinweg ihr einziges in Worte fassbares Lebensziel gewesen. Hinter Gunzenhausen nestelte sie im Fahren eine Zigarette aus der Packung im Handschuhfach und verzweifelte an dem Versuch, das Feuerzeug zu finden, das eigentlich auch irgendwo sein musste. Sie gab entnervt auf, als ein LKW-Fahrer auf der Gegenspur sie aggressiv anhupte, nur weil sie während ihrer Suche ein wenig über die Mittellinie geraten war.
    Von Ellingens barocker Pracht war nicht viel zu sehen, als sie schließlich am Deutschherrenschloss vorbeifuhr. Der Regen war dichter geworden, die Scheibenwischer arbeiteten sich an der beschlagenen Windschutzscheibe ab, und gerade, als sie über die Brücke hinter dem Schloss kam, klingelte ihr Handy. »Verdammt«, fluchte sie und griff nach dem Gerät. »Ja?«
    »POK Schatz?«, fragte eine Männerstimme. »Sailer hier. Sind Sie unterwegs?« Er klang höflich genug, aber Eva hatte keine Mühe, die eigentliche Bedeutung der Frage als »Wo zum Teufel bleiben Sie eigentlich?« zu übersetzen.
    »Bin fast da«, erwiderte sie gereizt und steuerte mit einer Hand durch die kurvige Schlossstraße. »Ich fahre gerade!«, fügte sie anklagend hinzu und klappte ihr Handy zu, um die Verbindung zu beenden. Im Regen rauschte sie mit überhöhter Geschwindigkeit den Berg hinauf, ließ dann die letzten Häuser hinter sich und verließ die Stadt auf der Ostseite. Wahrscheinlich hätte sie nach all den Jahren den schmalen, ungeteerten Weg verpasst, der links zum Castrum Sablonetum, den Ruinen des alten Limeskastells, führte, aber die Abzweigung war mit Polizeiband abgesperrt und zwei Dienstwagen standen unübersehbar an der Mündung. Eva stellte ihr Auto ebenfalls ab, packte ihre Regenjacke, die auf dem Beifahrersitz lag, und stieg aus. In den wenigen Sekunden, die sie brauchte, um sie anzuziehen, fühlten sich ihre Schultern bereits unangenehm feucht an. Sie musste nicht mühsam nach ihrer Dienstmarke fischen, denn PK Rainer Sailer kam ihr auf dem von der Polizei gelegten Trampelpfad entgegen.
    »Was für ein Wetter«, bemerkte er gutmütig, als hätte es den kurzen unfreundlichen Austausch am Telefon nicht gegeben, und streckte ihr die Hand hin. Er war nicht sehr groß, blond und bestimmt zehn Jahre jünger als sie. »Wir mussten hier schon weitgehend aufräumen«, fügte er mit einem entschuldigenden Blick auf die verhüllte Bahre hinzu, die gerade an ihnen vorbei zum Leichenwagen transportiert wurde. »Der Regen … Aber Sie wollen sich den Fundort sicher trotzdem ansehen.«
    Sie gingen hintereinander auf dem Trampelpfad die letzten hundert Meter bis zu den Ruinen des Kastells. Eva sah sich schweigend um. Links lag ein umgepflügtes Feld, dessen braune Erde im Regen fett und schwer glänzte. Jenseits davon, mindestens fünfhundert Meter entfernt, war eine Reihe kleiner Einfamilienhäuser zu sehen. Hinter ihnen die Straße, von der gelegentlich das Rauschen eines Autos zu hören war. Direkt vor ihnen reckte ein Baum seine frischbelaubte Krone in die graue Luft, und dahinter erhob sich, was von der Anlage des römischen Militärlagers Castrum Sablonetum wieder ausgegraben worden war: ein paar Mauern, etwas, was aussah wie das Fundament eines viereckigen Turmes, zu dem eine Treppe hinaufführte, und einige undefinierbare Steingebilde. Eva zog fröstelnd die Schultern hoch und stöhnte: »Ein Alptraum. Eine Leiche im Nirgendwo!«
    PK Sailer ließ den Blick über das verlassene Kastell und die umliegenden Felder schweifen und erwiderte mit einem halben Nicken: »Ja und nein. Es war sicher ein guter Ort, um jemanden loszuwerden, aber ganz so verlassen, wie sie aussieht, ist die Gegend nicht. Hier gibt es Spaziergänger,
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