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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe
Autoren: Dagmar Clemens
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zupfte an einer Haarsträhne. Es war wieder einmal Zeit für einen Friseurbesuch. Vielleicht sollte sie sich endlich einen Termin holen.
    »Außerdem ist der Job nichts für dich«, fuhr Viktor fort. »Da ist Stress an der Tagesordnung. Und die Leute sind alle unzufrieden und wollen wieder weg.«
    Niemand hatte unzufrieden gewirkt. Und mit Stress konnte sie umgehen.
    »Du bist das nicht gewohnt und wirst das nicht durchstehen.«
    Wenn sie nicht so gut gelaunt wäre, hätte sie ihm jetzt widersprochen.
    »Ruf an und sag, dass du es dir überlegt hast«, forderte er sie auf.
    »Ich kann ja mal abwarten, ob ich überhaupt in die engere Wahl komme«, entgegnete sie diplomatisch und dachte nicht daran, die Bewerbung zurückzuziehen.
    »Wirst du nicht.«

    Immer noch guter Dinge, schloss Claire die Wohnungstür auf. Sie freute sich auf einen ruhigen Abend mit einem Buch. Seit sie mit Viktor zusammen war, fehlte ihr oft Zeit für sich selbst. Seine plötzliche Präsenz in ihrem Leben war ihr manchmal zu viel. Und er war sehr präsent. Und unruhig. Er konnte nicht einfach die Seele baumeln lassen und wenigstens am Wochenende einmal in den Tag hinein leben. Nein, er musste alles planen, während sie gerne spontanen Eingebungen folgte.
    Deshalb war sie hin und wieder auch froh, wenn sie sich ein paar Tage nicht sahen. Ihre Freundin Zoe sagte immer, Liebe oder Verliebtheit bedeute, dass man den Partner immer sehen wolle. Jeden Tag, jede Stunde. Deshalb war Zoe auch vor einem Jahr mit ihrem Freund nach Neuseeland gegangen. Weil sie ihn nicht nur wenige Male im Jahr, sondern täglich sehen wollte. Selbst wenn sie dafür eine Schaffarm in Kauf nehmen musste. Aber Zoe war auch total verliebt in Ole. Sie hatte nun schon zwei Monate nichts mehr von ihr gehört, demnach ging es ihr gut.
    Zoe hatte Viktor noch kennengelernt und sie eingehend über ihre Gefühle befragt. Sie war damals unsicher gewesen. Natürlich war sie in Viktor verliebt und irgendwann würde daraus Liebe entstehen. Hieß es doch. Aber dennoch gab es Dinge, die sie störten. Zum Beispiel, dass er gerne zu früh zu Verabredungen erschien. Oder dass er Wert darauf legte, dass sie immer, wirklich immer eine gepflegte Erscheinung war. Gammeln konnte sie mit ihm nur im eleganten Hausanzug und dezentem Make-up.
    Zoe sagte, wenn man frisch verliebt sei, dürften diese Dinge überhaupt keine Rolle spielen. Taten sie aber.
    Sie ging ins Badezimmer und blieb vor dem Spiegel stehen. Warum konnten die Dinge nicht einfacher sein? Vielleicht sollte sie einmal für ein Wochenende alleine verreisen, ohne Viktor. Ohne jede Stunde verplant zu haben, so wie bei ihrem letzten Urlaub mit ihm, in dem sie drei Tage von Kopfschmerzen gequält wurde. Der Gedanke munterte sie auf. Sie könnte vielleicht … Es klingelte an der Tür. Viktor? Das war auch so etwas, was sie nicht mochte, dass er sich nicht anmeldete, wenn er zu ihr kommen wollte. Er stand einfach vor der Tür und erwartete, dass sie Zeit hatte.
    Sie ging zur Tür und machte sie auf. Aber es war nur ihre Nachbarin, die ein Paket abgab, das der Postbote bei ihr abgeliefert hatte.
    Sie entschuldigte sich in Gedanken bei Viktor und überlegte, ob ihn ihre Art nicht manchmal störte.
    Am nächsten Tag brachte sie kurz vor Feierabend zwei Aktenordner in den Keller, in dem sich das Archiv befand. Die älteren Unterlagen sollten vorerst nicht elektronisch gespeichert werden. Sie entdeckte, dass die Ordner willkürlich in die Regale gestellt worden waren und ärgerte sich über Patricia, die sich nicht die geringste Mühe gab, wenn sie etwas für sie tun sollte. Entschlossen sortierte sie die Ordner nach Jahrgängen, zog zwei aus den Regalen, die nicht dorthin gehörten, und nahm sich vor, die Ordner neu zu beschriften.
    Als sie wieder zurückkam, saß Patricia nicht an ihrem Platz, aber der Cursor auf ihrem Bildschirm blinkte. Und dann hörte sie etwas. Ein Stöhnen. Es kam aus dem Büro ihres Chefs. Die Tür war nur angelehnt. Sie wusste, dass sie es besser lassen sollte, dass sie ihre Tasche nehmen und nach Hause fahren sollte. Aber sie schlich auf Zehenspitzen zur Tür und drückte diese vorsichtig ein winziges Stück auf. Ihr Chef küsste Patricia und schob gerade mit seiner linken Hand deren Kleid hoch.

    Das Wochenende verbrachte Claire bei Viktor, in dessen makellos sauberer Wohnung, die er direkt nach seinem Studium erworben und seinem Geschmack entsprechend eingerichtet hatte. Claire gefiel sie nicht. Alles war irgendwie
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