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Das Haus im Moor

Das Haus im Moor

Titel: Das Haus im Moor
Autoren: Catherine Cookson
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eigenen Familie. Sie wollten ihm einfach nicht zuhören, keiner von ihnen. Er drehte sich um und sah Harry neben Constance stehen. Sein Bruder lachte, während er ihr etwas erklärte, und sie glücklich, sogar sorglos zu sehen, ließ in Jim gallige Bitterkeit hochsteigen. Sie mochte Harry, das war schon immer so gewesen. Sie bewunderte ihn sogar, diesen Schullehrer von der Westgate Road School, der immer noch den Stempel der Stanhope Street trug, es war eine entzückende Kombination. Sein Akzent hatte sich nicht verändert, er unterrichtete Kinder, und er wagte es, auf ihn herabzusehen, ihm den Mund zu verbieten. Jim fragte sich inzwischen, warum er überhaupt in dieses Viertel zurückgekehrt war. Warum? Es hatte für die Schriftstellerei nicht den geringsten Unterschied bedeutet.
    In den ersten Monaten, als er das Buch aufs Papier geworfen hatte, hatte er gedacht, daß es vielleicht einen Unterschied machte. Aber wohin hatte ihn das gebracht? Nirgendwohin. Er war jetzt noch ausgebrannter als in London, und wenn da nicht etwas wäre, das ihn davon abhielt, würde er morgen gehen.
    Während seine Augen durch den Raum wanderten, mußte er noch einen weiteren Grund hinzufügen, der ihn im Norden hielt: Jeder einzelne Gegenstand in dem Zimmer verriet Geld … und Geschmack. Ein Mann gewöhnte sich an bestimmte Bequemlichkeiten, sie krochen heimtückisch in sein Leben und schienen solange keinerlei Wert zu haben, bis er sich vorstellte, ohne sie leben zu müssen. Er hatte ein angenehmes Leben, schon zweiundzwanzig Jahre lang, und im Laufe der Jahre war es immer schwerer geworden, das aufzugeben. Wenn man älter wurde, änderten sich die körperlichen Bedürfnisse nicht, sie wurden höchstens noch drängender, und der Preis, den er für ihre Befriedigung zu zahlen hatte, wurde immer höher. Das bedeutete in seinem Fall, daß er seine Zunge hüten mußte – ein schwieriges Unterfangen, wenn man eigentlich Gift spritzen wollte –, und er wußte, daß er heute Abend all seine Beherrschung würde aufbieten müssen. Constance hatte nämlich an diesem Morgen die Kontoauszüge bekommen. Sie wollte nur noch die Party seiner jungen Lordschaft ruhig über die Bühne bringen. Sonst wäre es schon längst zum Eklat gekommen.
    Jim ging zu Constance hinüber und legte ihr die Hand auf die Schulter. Das hatte er schon lange nicht mehr getan, so lange, daß er sich gar nicht mehr an die Gelegenheit erinnern konnte, und als er kein Erstarren oder Ausweichen spürte, beugte er sich vor und fragte: »Was hältst du von einem Drink? Und du, Harry, was möchtest du?«
    »O nein, nicht für mich«, sagte Harry. »Es ist noch zu früh dafür. Aber eine Tasse Tee wäre gut.«
    »Ich werde welchen machen.« Constance wand sich sanft aus Jims Griff. »Es wird keine Minute dauern.«
    »Ich helfe dir, Connie.« Millie erhob sich vom Sofa und folgte Constance durch die Diele in die Küche. Dort ging sie zum Fenster, sah hinaus und sagte nach einer Weile: »Ich fand den Blick von hier immer sehr schön, Connie.«
    »Ja, Millie, es ist eine schöne Aussicht.«
    Millie hatte schon so oft im letzten Jahr Bemerkungen über die Aussicht gemacht, daß Constance sich darüber wunderte. Sie stellte fünf Tassen auf ein Tablett. In eine silberne Teekanne gab sie fünf Löffel voller Teeblätter hinein und goß kochendes Wasser darüber. Dann blickte sie auf Millies Rücken und fragte ruhig: »Was ist los, Millie?«
    Millie wandte sich vom Fenster ab, stützte sich auf die Fensterbank und schluckte hörbar, bevor sie sagte: »Ich glaube, sie hat es wieder getan, Connie.«
    »Nein!« Constance ging langsam vorwärts und sagte noch einmal: »Nein!«
    »Sie ist schamlos, und er sieht es nicht. Er denkt, daß sie schlau ist. Es würde ihm bei jedem anderen sofort auffallen, aber bei ihr sieht er es einfach nicht. Ich bin durch mit ihr. Also … also gestern habe ich sie darauf angesprochen. Und weißt du, was sie getan hat? Sie hat mich ausgelacht. Sie ist krank, Connie. Es ist eine Krankheit. Sie denkt nicht darüber nach. Ich habe Angst, ich habe wirklich Angst, daß er es diesmal herausfindet, weil sie immer schamloser wird. Sie weiß, daß er sie über alles liebt, und doch sehe ich sie vor mir, wie sie ihn mit einem Messer in Stücke zerschneidet und dabei lacht. Etwas ist mit ihr absolut nicht in Ordnung, aber nur wir beide scheinen das zu sehen, Connie. Alle anderen sagen: Ist sie nicht ein toller Kerl? Ist sie nicht lustig? Es wird ihn kaputtmachen, wenn
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