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Das Haus im Moor

Das Haus im Moor

Titel: Das Haus im Moor
Autoren: Catherine Cookson
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Jim Schriftsteller geworden. Er hatte ein Buch geschrieben, über genau die Dinge, über die er, Harry, auch die ganze Zeit nachgedacht hatte. Jims Geschichte spielte am Tyne, wo er aufgewachsen war. Er hatte aus dem Fluß mit seinen krangesäumten Ufern, den Schiffen, den Fabriken und Höfen und Brücken ein Bühnenbild gemacht. Er hatte diese Brücken zum Leben erweckt und eine von ihnen als Schauplatz für den Höhepunkt seiner Geschichte gewählt: der geschlagene Mann, der mit gespreizten Beinen zum Sprung ansetzte.
    Über Nacht hatte sein Bruder Jim einen Namen. Bald nachdem das Buch veröffentlicht worden war, sah man ihn in der Stanhope Street nicht mehr. Er zog nach London, schickte seiner Mutter von dort fünfzig Pfund, und für sie war es, als ob er ihr tausend geschickt hätte. Fünfzig Pfund dafür, daß sie ihn vierundzwanzig Jahre lang versorgt hatte. An dem Tag, an dem das Buch verfilmt wurde, gab Mutter eine große Party. Dutzende kamen aus der Barrack Road und aus Gallowgate. Sie mußte einen Tisch auf die Straße stellen, weil nicht alle ins Haus paßten, und sie machte Schulden, die sie jahrelang nicht loswurde.
    Dann landete sein Bruder Jim einen weiteren Glückstreffer. Er heiratete die einzige Tochter seines Verlegers, wenn auch nicht – das war klar – zu jedermanns Zufriedenheit, besonders nicht zu der des Verlegers selbst. Aber das Glück war mit Jim. Der Verleger starb sechs Monate nach der Hochzeit, und von da an hatte Jim auch noch eine vermögende Ehefrau.
    Harry erinnerte sich daran, als er Connie zum ersten Mal begegnet war. Jim war mit ihr zur Beerdigung seiner Mutter gekommen. Constance hatte neben seinem Bruder in dem schmuddeligen Vorraum gestanden. Sie war ihm wie ein Rennpferd vorgekommen, das vor einen Karren gespannt worden war, und im Laufe der Jahre hatte er seine Meinung nicht geändert.
    Seine Gedanken wurden von Millie unterbrochen, die zu Constance sagte: »Kommen Ben und Susan auch?« Constance antwortete: »Ja, aber erst ungefähr um sechs. Ben kann nicht früher aus dem Laden weg.«
    »Ich wette zehn Pfund gegen einen Penny, daß sie um sieben wieder weg sind. Was wettest du?« Harry beugte sich zu Constance und feixte.
    »Ich würde nicht dagegen halten«, sagte Constance und lächelte zurück.
    »Das ist auch besser so«, sagte Harry und ließ sich in das Sofa zurückfallen. »Diese Frau und ihr Bingo, ehrlich, das ist eine Krankheit. Ben sagt, daß sie sonntags einer Katze auf heißen Ziegeln gleicht. Stellt euch das vor!« Er blickte in die Runde. »Sechs Nächte in der Woche Bingo spielen!«
    »Es gibt Männer, die während der Saison jeden Tag zum Rennen gehen, von Rennbahn zu Rennbahn fahren und hunderte von Meilen zurücklegen. Es gibt Frauen, die jeden Abend Bridge spielen … Sonntage inklusive.« Jim klang wie jemand, der eine Vorlesung in Philosophie hielt und einer Gruppe von jungen Studenten ein Gesellschaftsmodell erklärte. »Niemand sollte über die Handlungen eines Mannes … oder einer Frau urteilen, bis er selbst in eine ähnliche Situation kommt und seine eigenen Reaktionen kennen lernt. Susan geht zum Bingo, weil sie darin einen Ausgleich findet. Außerdem hat sie in den letzten Jahren wahrscheinlich eine ordentliche Summe gewonnen, also …«
    »Oh, mein Gott. Laß gut sein«, sagte Harry und sah seinen Bruder immer noch nicht an. »Ich akzeptiere deine Meinung. In Ordnung, in Ordnung, betrachte es von einem philosophischen Standpunkt aus oder von wo aus auch immer, aber für mich ist Susan eine faule Schlampe. Gut, vielleicht keine Schlampe in dem Sinn, denn sonst würde Ben ihr einen Tritt in den Hintern geben, aber sie denkt an nichts anderes als an Bingo und Kleider … Kleider und raus aus dem Haus, das ist Susan.«
    Harry sah Millie an, die einen langen Seufzer ausstieß. Ihre Lippen waren schmal, als sie in die Runde sagte: »Viel Glück für sie.«
    Als Harry sie anstieß und sie beinahe vom Sofa fiel, lachten alle, wieder alle außer Jim. Er wandte sich ab und sah einen Augenblick lang aus dem Fenster hinunter in den Hof, um seinen Zorn in den Griff zu bekommen. Sein Bruder Harry ging ihm wie niemand sonst unter die Haut. Er hatte immer das Bedürfnis, ihm über den Mund zu fahren, aber Harry brachte es jedes Mal fertig, als Erster zuzuschlagen.
    Jim hielt sich für einen guten, einen interessanten Redner. Wenn er es darauf anlegte, konnte er die Aufmerksamkeit der Leute fesseln, außer der von Harry … und natürlich der seiner
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