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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund
Autoren: Susanne Gerdom
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eigentlich quitt, oder?
    Ich habe jedenfalls keine Angst davor, im Dorfladen einzukaufen oder bei Harmony einen Tee zu trinken. Sammy ist eher wie Mama, sie geht nicht gerne ins Dorf. Aber Sammy ist sowieso nicht wie andere Menschen, sie sieht Dinge, die es nicht gibt. Geister.
    Sie behauptet, dass wir anderen bloß zu dumm wären, sie auch zu sehen. Aber mit dieser Meinung steht sie auf sehr verlorenem Posten. M anchmal glaube ich, sie will uns damit nur ärgern, dass sie behauptet, wieder einen der alten Vandenbourghs gesehen zu haben, wie er durch eine geschlossene Tür ging. Natürlich mit Halskrause und steifem Rock und manchmal auch mit einer Schlinge um den Hals, herausquellenden Augen und einer Zunge, die ihm bis zum Kinn reicht. Oder ganz ohne Kopf.
    Das erzählt sie, wenn sie will, dass ich mich fürchte. Ich liebe Samhain. Aber sie kann ganz schön anstrengend sein.
    Ganz ehrlich, und das verrate ich jetzt nur dir, Tagebuch: Ich glaube, ich sehe die Geister hin und wieder auch. Nicht ständig. Nicht alle. Aber den einen oder die andere. Aber das weiß nur Sam – und so anstrengend sie manchmal sein kann, sie würde mich nie verraten. Ich möchte nicht, dass die Leute mich noch seltsamer ansehen, als sie es ohnehin schon tun. Deshalb schweige ich darüber.
    Samhain halten sie so oder so für verschroben, aber es ist ihr egal. Mich würde es stören, aber Samhain ist Samhain. Stur wie ein Esel, mutig wie ein Löwe. Meine große Schwester. (Familienwitz. Haha.)
    St. Irais, 16. Mai
    Ich war wirklich im Dorfladen und dann im Tea Room, liebes Tagebuch. Natürlich ohne Sam, die mit Kopfschmerzen bei zugezogenen Vorhängen im Bett gelegen hat, den ganzen Tag. Wie langweilig.
    Und dann habe ich lange an der Küste gesessen und das Meer beobachtet. Mein Platz ist wunderschön, ganz abgeschlossen. Niemand k ann mich dort finden und stören. Ich hatte ein Buch mitgenommen und einen Apfel, den ich gegessen habe, während die Sonne langsam im Meer versank und der Mond heraufkam. Ich habe die Stille des Ortes gefühlt und dass er in früheren Zeiten ein heiliger Ort gewesen ist. Das Haus steht auf einem uralten und heiligen Platz, das hat mir eine alte Frau erzählt, die ich bei einem meiner Ausflüge ins Dorf getroffen habe. Ein uralter und heiliger Platz – so hat sie gesagt. Es klang so, als wollte sie mich vor diesem Platz warnen, aber ich kann daran nichts Böses finden. Heilig heißt doch, dass es gut ist, so habe ich es jedenfalls gelernt.
    Ich bin zu spät zum Abendessen gekommen und Papa hat mir eine Ohrfeige gegeben.
    Er ist sonst nicht so streng, aber Mama geht es wieder schlechter, und das macht ihn immer sehr ungeduldig und gereizt.
    Cousin Jules kommt! Ich habe es nach dem Abendessen von Sam erfahren. Ich freue mich. Er ist immer so nett und so lustig. Er war schon lange nicht mehr hier, ich bin so gespannt, was er alles zu erzählen hat. Er studiert Jura in Oxford und ist damit wohl ein Erwachsener. Aber er behandelt Sam und mich nie von oben herab, sondern ganz und gar nett und liebenswürdig. Ich kann ihn sehr gut leiden.
    Er wird das Haus erben, wenn mein Papa nicht mehr da ist. Er ist der älteste männliche Vandenbourgh. Ein komischer Gedanke ist das.
    Vielleicht heiratet er Sammy, dann kann sie hier wohnen bleiben.

3
    ADRIAN
    »Ich muss ins Dorf, ein paar Sachen einkaufen. Kommst du mit?« Jonathan stellte seine Tasse ab und sah mich fragend an.
    Toby ließ seine Zeitung sinken. »Ich brauche eine Druckerpatrone«, sagte er. »Und Papier. Und Lakritzbonbons.« Die Zeitung fuhr hoch wie ein Rolltor und schloss jede weitere Unterhaltung aus. Jonathan und ich grinsten uns an. Das war Toby, wie er leibte und lebte.
    Jonathan lehnte sich zurück und faltete die Hände über dem Bauch. Er fuhr mit der Zunge über seine Zähne und musterte mich nachdenklich. »Welches Unglück ist eigentlich unserer unschuldigen Wäsche widerfahren?«
    Ich steckte hastig ein zu großes Stück Toast mit Rührei in den Mund und nuschelte etwas darum herum. »Mffe nfgmm gfffbmm brrm.«
    Jonathan nickte mehrmals ernst. »So etwas in der Art hatte ich mir gedacht.« Die Fältchen um seine Augen vertieften sich. »Ein Mini-Tornado, dann ein unvermutetes lokales Gewitter und zum Schluss hat ein Meteoritentreffer dem Ganzen das Finish v erliehen. Dafür sieht sie sogar noch recht gut aus, muss ich zugeben.«
    Ich trank meine Tasse leer und wich seinem Blick aus.
    »Schokolade und Heftpflaster«, warf Toby ein.
    Jonathan lachte
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