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Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor
Autoren: dtv
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waren verirrte Seelen, die einst ins Moor geraten und nie wieder hinausgekommen waren. Ihre glimmenden Flämmchen wiederum lockten andere ins Verderben – und so gab es mehr und mehr von ihresgleichen.
    An den Abenden saß Lilly oft an ihrem Fenster und beobachtete die Lichter, die zwischen den knorrigen Bäumen des Moores umherirrten. Dann schauderte sie und dankte ihrem Glücksstern, dass sie nicht dort draußen bei den Geistern des Sumpfes sein musste.
     
    Eines Abends, es war schon spät, klopfte es ganz unerwartet an die Tür der kleinen Hütte. Draußen stand ein Fremder, ein junger Mann.
    ›Habt ihr einen Schlafplatz für mich?‹, fragte er. ›Die Dunkelheit hat mich überrascht.‹
    ›Wohin des Wegs?‹, fragte Lillys Vater. ›Wenn die Frage erlaubt ist.‹
    Der Fremde nickte.
    ›Fort‹, sagte er. ›Ich muss versuchen, Arbeit zu finden. Vor Kurzem erst ist mein Vater gestorben. Am liebsten möchte ich an die Küste und auf einem Schiff anheuern.‹
    ›Hast du . . .? Hast du denn das Meer schon gesehen?‹, fragte Lilly aufgeregt.
    Der junge Mann schüttelte den Kopf.
    ›Noch nicht‹, sagte er. ›Aber ich habe schon viel darüber gehört.‹
    Als sie gegessen hatten, setzten sich alle ans Feuer und warteten darauf, dass der Fremde ihnen zum Dank für die Gastfreundschaft eine Geschichte erzählen würde, denn so war es Sitte.
    ›Einst lebte mein Vater auch hier in der Gegend‹, hob der junge Mann an. ›Und er erzählte mir viele schreckliche Geschichten aus dieser Zeit. Ganz besonders über das Moor.‹
    Die Kinder rückten näher zusammen.
    ›Ihr wisst bestimmt, dass es irgendwo dort draußen einen großen Silberschatz gibt. Er liegt in einem kristallklaren See mitten im Moor . . .‹
    Doch das wusste die Familie nicht.
    ›Man sagt, der Schatz im See wäre so gewaltig, dass das Wasser leuchtet, wenn man nachts dorthin kommt. Aber das Moor bewacht seinen Schatz: Niemandem ist es je gelungen, auch nur eine Münze aus dem See heraufzuholen. Viele sind ertrunken und verschwunden, als sie es versucht haben.‹
    Nun wurde Lillys Vater hellhörig.
    ›Wo ist denn dieser See?‹, fragte er. ›Und warum ist es so unmöglich, den Schatz zu heben?‹
    ›Man braucht dazu einen Schlüssel, eine Art Amulett, sonst holen einen die Irrlichter. Doch nur den Richtigen, denjenigen, der das Amulett wirklich verdient hat, führt es dorthin, wo sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung geht. Aber das Amulett weckt auch das Böse im Moor und niemand weiß, wo es versteckt ist.‹
    ›Woher weiß man denn, dass man nicht doch der Falsche ist?‹
    ›Das findet man erst heraus, wenn es zu spät ist.‹
    Der junge Mann erzählte weiter, von Geistern und Gespenstern und anderen Schauerlichkeiten, bis das Feuer heruntergebrannt war und die kleineren Kinder längst schliefen.
     
    Am darauffolgenden Morgen setzte der Fremde seinen Weg fort und das Leben in der kleinen Hütte ging weiter wie zuvor. Das heißt – nicht ganz. Lillys Vater war wie ausgewechselt. Sein Blick hatte einen neuen Glanz bekommen. Der Gedanke an den Schatz hatte die Gier in ihm geweckt!
    Was, wenn der Fremde recht hatte? Was, wenn es wirklich einen Schatz in diesem See gab? Und was, wenn er diesen Schatz heben konnte? Dann hätten sie für alle Zeiten ausgesorgt.
    ›Zieht euch warme Sachen an‹, sagte er eines Tages beim Frühstück schroff zu seiner Familie. ›Jeder packt sich etwas zu essen und zu trinken ein. Heute werden wir den Schatz finden.‹
    ›Aber wir können doch nicht mit den Kindern ins Moor‹, sagte seine Frau. ›Das ist viel zu gefährlich!‹
    ›Auch nicht gefährlicher, als in diesem Loch hier aufzuwachsen!‹, brüllte er. ›Alle müssen mithelfen. Los jetzt, beeilt euch!‹
    Die kleineren Kinder weinten, die größeren protestierten. Aber nichts half und bald stand die ganze Familie vor der Hütte, zum Aufbruch bereit.
    Der lärmende Vogelschwarm, der sich jeden Morgen vor dem Haus versammelte und auf Brotkrumen hoffte, verstummte. Eine unheilvolle Stille machte sich breit.
     
    Lilly sollte den Kleinsten beaufsichtigen und damit hatte sie vollauf zu tun. Für die Suche nach dem Schatz blieb ihr keine Zeit mehr. Entweder wollte der kleine Schlingel auf einen Baum klettern oder er wollte Verstecken spielen. Und während die Stunden vergingen, entfernten sie sich immer weiter von den anderen. Da erst bemerkte Lilly, wie still es war. Es waren keine Kinderstimmen mehr zu hören, auch keine mahnenden Erwachsenen. Und
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