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Das Gold von Sparta

Das Gold von Sparta

Titel: Das Gold von Sparta
Autoren: Dieter Buehrig
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ritten sie ins Tal hinab, wobei sie dem Weg folgten, auf dem Laurent am Vortag gekommen war.
    Der Sturm der vorangegangenen Nacht hatte zwar nur wenig Schnee ergeben, aber der heftige Wind hatte frische Verwehungen geschaffen: senkrecht aufragende weiße Mauern, die um Napoleon und seine Reiter herum eine tiefe Schlucht bildeten. Der Atem der Pferde trieb in Dampfschwaden durch die eisige Morgenluft, und bei jedem Schritt wurden Schneewolken aufgewirbelt. Napoleon ließ Styries Zügel locker und vertraute darauf, dass sich der Araberhengst seinen Weg selbst suchte, während er selbst fasziniert die Schneeverwehungen betrachtete, deren Wände der Wind zu Wirbeln und Wellen geformt hatte.
    »Ein wenig unheimlich, nicht wahr, mon général?« , sagte Laurent.
    »Es ist sehr ruhig«, murmelte Napoleon. »Eine solche Stille habe ich noch nie erlebt.«
    »Es ist wunderschön«, pflichtete ihm Laurent bei. »Und gefährlich.«
    Wie ein Schlachtfeld, dachte Napoleon. Außer vielleicht in seinem Bett und zusammen mit Josephine fühlte sich Napoleon auf einem Schlachtfeld heimischer als sonst irgendwo. Das Donnern der Kanonen, das Krachen der Musketen, der stechende Geruch von Schwarzpulver in der Luft … all das liebte er. Und in ein paar Tagen, dachte er, sobald wir diese verdammten Berge hinter uns gelassen haben … Er musste unwillkürlich lächeln.
    Weiter vorn stieß der führende Reiter eine geballte Faust in die Luft und gab das Zeichen zum Anhalten. Napoleon beobachtete, wie sich der Mann aus dem Sattel schwang und durch den knietiefen Schnee stapfte. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und suchte die Wände der Schneeverwehungen ab, dann verschwand er um eine Wegbiegung.
    »Wonach hält er Ausschau?«, fragte Napoleon.
    »Die Morgendämmerung ist die gefährlichste Zeit für Lawinen«, erwiderte Laurent. »Über Nacht härtet der Wind die oberste Schneeschicht zu einer festen Decke, während der Pulverschnee darunter weich bleibt. Wenn die Sonne auf die Schale trifft, beginnt sie aufzutauen. Oft ist die einzige Warnung ein ganz bestimmtes Geräusch oder ein Ton – so als würde Gott im Himmel seine Stimme erheben.«
    Nach ein paar Minuten kam der führende Reiter zurück. Er gab Laurent ein Zeichen, dass alles klar sei, dann bestieg er wieder sein Pferd und setzte den Weg fort.
    Sie ritten zwei weitere Stunden und folgten dem gewundenen Verlauf des Tals, das zu den Vorbergen hinunterführte. Schon bald gelangten sie in eine enge Schlucht aus grauem Granit, mit Blankeis bedeckt. Der führende Reiter ließ wieder anhalten und saß ab. Laurent tat das Gleiche, gefolgt von Napoleon.
    Napoleon blickte sich um. »Ist es hier?«
    Sein Generalmajor lächelte verschmitzt. »Dort, mon général. « Laurent hakte zwei Öllampen von seinem Sattel los. »Folgen Sie mir.«
    Sie gingen den Weg hinunter und kamen an den sechs Pferden der Vorhut vorbei, deren Reiter vor ihrem General Haltung annahmen. Napoleon nickte jedem Soldaten nacheinander ernst zu, bis sie die Spitze der Kolonne erreichten, wo er und Laurent stehen blieben. Einige Minuten verstrichen, dann erschien ein Soldat – der führende Reiter – hinter einem Felsvorsprung zu ihrer Linken und stapfte durch den tiefen Schnee auf sie zu.
    Laurent stellte vor: »Mon général, sicher erinnern Sie sich an Sergeant Pelletier.«
    »Natürlich«, erwiderte Napoleon. »Ich stehe Ihnen zur Verfügung, Pelletier. Gehen Sie voraus.«
    Pelletier salutierte, nahm ein zusammengerolltes Seil vom Sattel seines Pferdes und ging auf dem Weg zurück, den er soeben von den brusthohen Schneeverwehungen freigeräumt hatte. Er stieg den Abhang zur Basis einer senkrechten Granitwand hinauf, ging dort parallel zu ihr etwa fünfzig Meter weit und blieb vor einer rechtwinkelig in den Fels getriebenen Nische stehen.
    »Sehr interessant, Laurent. Und was soll das sein, was ich da vor mir sehe?«, fragte Napoleon.
    Laurent nickte Pelletier zu, der mit seiner Muskete wie mit einer Keule ausholte und den Kolben gegen den Fels schmetterte. Anstelle des üblichen Krachens von Holz auf Stein hörte Napoleon das Klirren von Eis. Pelletier schlug noch vier Mal zu, bis ein vertikaler Riss im Eis erschien. Er war gut einen halben Meter breit und fast zwei Meter hoch.
    Napoleon blickte hinein, konnte außer tiefer Dunkelheit jedoch nichts sehen.
    »Soweit wir feststellen können«, erklärte Laurent, »ist der Eingang von dichtem Buschwerk zugewuchert, und im Winter verschwindet er hinter hohen
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