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Das Gold von Sparta

Das Gold von Sparta

Titel: Das Gold von Sparta
Autoren: Dieter Buehrig
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Armeen, nicht einmal das Wetter, auch kein Berg – und ganz gewiss keine österreichischen Emporkömmlinge.
    Ein Jahr zuvor, während er und seine Armee Ägypten unterwarfen, hatten die Österreicher die Dreistigkeit besessen, das italienische Gebiet einzunehmen, das Frankreich im Friedensvertrag von Campo Formio zugesprochen worden war. Ihr Sieg sollte allerdings nicht von langer Dauer sein. Weder würden sie nämlich so früh im Jahr mit einem Angriff rechnen, noch könnten sie sich gewiss vorstellen, dass eine Armee versuchen mochte, die Walliser Alpen im Winter zu überqueren. Und dies aus gutem Grund.
    Mit ihren steilen Felswänden und tiefen Schluchten waren die Walliser Alpen ja schon für Alleinreisende ein geografischer Albtraum, besonders aber für eine Armee von vierzigtausend Soldaten. Seit dem September versank der Pass unter zehn Metern Schnee, und zwar bei Temperaturen, die so gut wie ständig unter dem Gefrierpunkt lagen. Schneewechten, so hoch wie zehn Männer, überragten sie auf Schritt und Tritt und drohten sie und ihre Pferde unter sich zu begraben. Selbst an sonnigen Tagen verhüllte ein dichter Nebel das Gelände bis in den Nachmittag hinein. Stürme brachen ohne Vorwarnung los und konnten einen bis dahin ruhigen Tag in ein tobendes Inferno aus Schnee und Eis verwandeln, in dem ihre Sicht nicht mehr als einen Meter weit reichte. Das Entsetzlichste aber waren die Lawinen – Schneewalzen, manchmal einen halben Kilometer breit, die sich über die Berghänge ergossen und jeden zu verschlingen drohten, der das Pech hatte, ihren Weg zu kreuzen. Bisher war Gott immerhin so gnädig gewesen, die Armee Napoleons weitgehend zu verschonen, was soviel bedeutete wie: bis auf zweihundert Männer.
    Er wandte sich an Constant. »Wo ist der Bericht des Quartiermeisters?«
    »Ich habe ihn hier, mon général. « Der Diener zog ein Bündel Papiere aus seinem Mantel und reichte es Napoleon, der die Zahlen mit einem schnellen Blick überflog. Wahrlich, eine Armee konnte nur mit vollem Magen kämpfen. Bisher hatten seine Männer 19817 Flaschen Wein, eine Tonne Käse und 1700 Pfund Fleisch konsumiert.
    Vor ihnen, unterhalb des Passes, erklang ein Ruf, der von den Vorreitern kam: »Laurent, Laurent …!«
    »Na endlich«, murmelte Napoleon.
    Eine Gruppe von zwölf Reitern tauchte aus dem Schneetreiben auf. Ebenso wie sein Kommandeur waren es vorbildliche Soldaten, sogar die besten, über die er verfügen konnte. Niemand saß gebeugt im Sattel, alle hielten sich kerzengerade, das Kinn entschlossen vorgereckt. Generalmajor Laurent zügelte sein Pferd vor Napoleon, salutierte und saß ab. Napoleon umarmte ihn, dann trat er zurück und winkte Constant, der sogleich herbeieilte und Laurent eine Flasche Branntwein reichte. Laurent trank einen Schluck, dann einen zweiten und gab die Flasche zurück.
    Napoleon sagte: »Berichten Sie, alter Freund.«
    »Wir sind zehn Kilometer weit geritten. Keine Spur von feindlichen Streitkräften. Das Wetter bessert sich in den tieferen Regionen, auch wird die Schneedecke dünner. Ab hier wird der Weg leichter.«
    »Gut … sehr gut.«
    »Da ist noch etwas Interessantes«, sagte Laurent, fasste Napoleon am Ellbogen und führte ihn ein Stück beiseite. »Wir haben etwas gefunden, mon général. «
    »Würden Sie mir die Art Ihres Fundes vielleicht näher erläutern?«
    »Es wäre besser, wenn Sie selbst einen Blick darauf werfen würden.«
    Napoleon studierte Laurents Miene. In seinen Augen lag ein kaum unterdrücktes Glänzen gespannter Vorfreude. Er kannte Laurent, seit sie beide sechzehn Jahre alt waren und als Leutnants in der La Fére Artillerie gedient hatten. Laurent neigte weder zu Übertreibungen, noch war er leicht aus der Ruhe zu bringen. Was auch immer er gefunden haben mochte, es musste etwas Bedeutendes sein.
    »Wie weit?«, fragte Napoleon.
    »Es ist ein Ritt von etwa vier Stunden.«
    Napoleon blickte zum Himmel. Es war bereits vorgerückter Nachmittag. Über den Bergspitzen zeichnete sich ein Streifen dunkler Wolken ab. Ein Sturm kündigte sich an. »Nun gut«, sagte er und klopfte Laurent auf die Schulter. »Wir reiten bei Tagesanbruch los.«

    Wie üblich schlief Napoleon fünf Stunden und stand um sechs Uhr morgens, also noch vor Tagesanbruch, auf. Er frühstückte und las dann die im Laufe der Nacht eingetroffenen Depeschen seiner Unterführer, während er eine Tasse bitteren schwarzen Tees trank. Laurent erschien um kurz vor sieben Uhr mit seinem Reitertrupp, dann
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