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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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diesem Fall ziemlich heikel wäre, sie
gemeinsam zu verhören, vor allem Markús und
Hjörtur. Ihre Interessen waren völlig entgegengesetzt.
»Falls dem so ist, möchte ich als Markús’
Anwältin meine Zweifel an dieser Vorgehensweise
äußern.«
    Polizeichef
Guðni sog Luft zwischen den Zähnen ein, so als wolle er
die Zwischenräume säubern. »Gut möglich, dass
in Reykjavík andere Sitten herrschen, Frau
Anwältin«, sagte er kühl. »Da läuft
vermutlich alles nach Vorschrift. Aber hier habe ich das Sagen. Und
wenn ich ein bisschen mit euch plaudern will, dann tue ich das
auch. Das schadet niemandem. Zuallerletzt deinem Mandanten.«
Er lächelte Dóra mit kalten Augen an. »Es sei
denn, du glaubst, dass er etwas auf dem Kerbholz hat. Diese Leichen
scheinen ziemlich betagt zu sein. Vielleicht hat er die seinerzeit,
als er noch ein grüner Junge war, alle umgebracht.« Er
räusperte sich lautstark. »Ich habe das Gefühl,
dass dem nicht so ist. {20 }Ich denke, es gibt eine
vernünftige Erklärung, und hoffe, dass wir die ohne
große Formalitäten finden können. Das wird mir ja
wohl niemand übelnehmen!«
    Dóra
legte Markús beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
»Bevor wir weiterreden, möchte ich mit meinem Mandanten
sprechen. Und anschließend wird alles nach Vorschrift laufen,
damit das klar ist.«
    Guðni
zuckte mit den Achseln. Für sein Alter sah er noch gut aus,
schlank und mit vollem Haar. Dóra fand, dass er Clint
Eastwood unglaublich ähnlich sah, und hätte ihm am
liebsten einen Zahnstocher in den Mundwinkel gesteckt, um das Bild
perfekt zu machen. Er fixierte sie einen Moment lang, so als
wüsste er, woran sie gerade dachte, und wandte sich dann an
Markús, der wie erstarrt neben ihr saß.
»Möchtest du das, mein lieber
Markús?«
    Markús
rutschte nun nervös auf seinem Stuhl herum. Vor ihm saß
eine Autoritätsperson aus seiner Jugend, die sich daran
erinnerte, wie er Gemüse aus Nachbars Garten geklaut hatte.
»Ich hab nichts getan«, murmelte er mit einem
Seitenblick zu Dóra. »Müssen wir das unbedingt so
förmlich machen?«
    Dóra
atmete tief ein. »Mein lieber Markús«, sie
hoffte, dass sie denselben Tonfall traf wie der Polizeichef,
»du hast mich im Keller um Hilfe gebeten, und die bekommst
du. Lass uns kurz rausgehen und das unter vier Augen besprechen.
Dann kannst du entscheiden, was du tun willst. Von mir aus kannst
du dann mit Guðni nach Hause fahren und dich von ihm am
Küchentisch in Anwesenheit seiner Frau und seiner Katze
verhören lassen.«   
    »Meine
Frau ist tot«, sagte Guðni kühl, »und ich habe
einen Hund.«  
    Während
der gesamten Unterredung hatte sich Hjörtur
zurückgehalten und das Geschehen schweigend mitverfolgt.
Endlich ergriff er das Wort. »Es wäre mir sehr recht,
die Sache abzuschließen. Ich muss so schnell wie möglich
zurück ins Büro, damit {21 }meine Kollegen nicht denken,
mir wäre was passiert. Sie wissen, dass ich in dem Haus war,
das ihr versiegelt habt, und haben bestimmt gehört, dass da
was nicht stimmt.«    

    Guðni
starrte Hjörtur stumm an. Dóra vermutete, dass dieses
Schweigen seine Geheimwaffe bei Verhören war. Vielleicht
hoffte er, die Leute würden dann weiterreden, weil sie die
unangenehme Stille nicht aushalten konnten. Der Archäologe
ging jedenfalls nicht in die Falle. Plötzlich huschte ein
spöttisches Lächeln über Guðnis Gesicht, und er
sagte: »Gut. Ich will ja nicht riskieren, dass deine
Wissenschaftlerkollegen die Stifte zücken und schon mal
Nachrufe auf dich verfassen, Hjörtur.« Sein Blick
wanderte von dem errötenden Archäologen zu Dóra.
»Bitte sehr. Draußen im Flur seid ihr
ungestört.« Mit einer schwungvollen Geste zeigte er zur
Tür. »Wir bleiben hier, falls ihr uns wieder mit eurer
erlauchten Anwesenheit beglücken
wollt.«
    »Markús,
was hast du dir bloß dabei gedacht?«, zischte
Dóra mit zusammengekniffenen Lippen. »Du gehst da
runter, um einen Schädel rauszuholen, und dann willst du
einfach so mit der Polizei darüber plaudern, ohne die
geringste Ahnung von deiner rechtlichen Lage zu haben! Bist du dir
im Klaren darüber, in welche Schwierigkeiten du dich damit
bringen kannst?«
    Markús
wollte gerade protestieren, aber dann verflog seine Wut, und er
beließ es bei einem lauten Seufzen. »Du weißt
nicht, wie das hier läuft. Dieser Mann ist die Polizei auf der
Insel. Er alleine. Selbst wenn es noch andere Polizisten gibt, hat
er das Sagen. Er bringt die Dinge meistens in Ordnung, ohne
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