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Das Gluehende Grab

Das Gluehende Grab

Titel: Das Gluehende Grab
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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lange, bis er zum Punkt kam, war aber kooperativ und hatte
sich auch nicht aus der Ruhe bringen lassen, als sich Markús
ihm gegenüber mehrfach unverschämt verhalten hatte.
Dóras Mandant hatte sich geweigert, Gründe anzugeben,
warum er gegen die Ausgrabung seines Elternhauses war, hatte
permanent über die Unantastbarkeit der Privatsphäre
schwadroniert und den Fall in jeglicher Hinsicht verkompliziert.
Irgendwann hatte Dóra Hjörtur entnervt gefragt, ob er
nicht einfach irgendein anderes Haus ausgraben könnte, es
waren ja schließlich genug da. Aber das kam nicht in Frage,
da Markús’ Elternhaus eines der wenigen
Betonhäuser vor Ort war und die Katastrophe deshalb besser
überstanden hatte als andere. Es war schließlich nicht
Sinn der Sache, Ruinen auszubuddeln.   
    Bei
Dóras Recherchen, wie sich die Ausgrabung durch eine
einstweilige Verfügung stoppen lassen könnte, hatte sich
herausgestellt, dass es Markús nur um den Keller ging. Also
hatte Hjörtur den Vorschlag gemacht, das Haus sollte
ausgegraben und durchlüftet werden, und anschließend
dürfte Markús als Erster den Keller betreten und alles
daraus mitnehmen, was er wollte.  
    Und nun
standen sie da, der Archäologe und die Rechtsanwältin,
und starrten die kaputte Kellertür an, während der Mann,
der 1973 noch ein Teenager gewesen war, eine Etage tiefer mit einem
schrecklichen Geheimnis kämpfte.   

    »Na
endlich!« Dóra hörte Schritte auf der
Kellertreppe.
    »Hoffentlich
hat er auch alles gefunden«, sagte Hjörtur zaghaft,
»was passiert, wenn er mit leeren Händen wieder
raufkommt?«
    Dóra
schaute zur Tür.
    Gespannt
beobachteten sie, wie sich die Türklinke bewegte. Aber die
Tür öffnete sich nur einen winzigen Spalt. Verwundert
schauten sich die beiden an. »Markús«, sagte
Dóra ruhig, »stimmt was
nicht?«
    »Kannst
du mal kommen?«, erklang eine dumpfe Stimme von der anderen
Seite der Tür. Der schwache Schein seiner Taschenlampe schoss
plötzlich über den Boden und fiel auf Dóras
Füße.
    »Ich?
Ich soll da runterkommen?« Sie warf Hjörtur einen
verständnislosen Blick zu.
    »Ja«,
antwortete Markús mit einem seltsamen Tonfall. »Ich
bräuchte mal deine
Einschätzung.«
    »Meine
Einschätzung?«, wiederholte Dóra, um Zeit zu
schinden.
    »Ja.
Juristisch.«
    »Ich
kann dir jederzeit meine Einschätzung geben, Markús.
Mit uns Rechtsanwälten verhält es sich allerdings so,
dass wir nicht alles, womit wir uns beschäftigen, am eigenen
Leib erleben müssen. Es gibt keinen Grund, mit dir da
runterzuklettern. Sag mir, worum es geht, und ich gebe dir eine
schriftliche Beurteilung in meinem
Büro.« 
    »Du
musst mitkommen. Ich brauche keine schriftliche Beurteilung. Eine
mündliche genügt.« Er schwieg einen Moment.
»Bitte. Komm kurz runter.« Markús’ Stimme
hatte noch nie so sanft geklungen – ganz anders als seine
übliche Arroganz und Großspurigkeit.
    Hjörtur
wirkte nicht gerade begeistert, nickte ihr aber zu. Dóra
zögerte. Sie hatte nicht die geringste Lust auf noch mehr
Dunkelheit und Mief, aber sie mussten die Sache hier und jetzt
abschließen. Dóra riss sich zusammen. »Na
gut.« Hjörtur gab ihr seine Taschenlampe. »Ich
komme mit runter.« Dóra öffnete die Tür so
weit, dass sie durch den Spalt passte. Markús stand
leichenblass auf der Treppe, und der Schein ihrer Taschenlampen {16
}tauchte alles in ein gespenstisches Licht. Sie schluckte. Hier war
es noch stickiger und staubiger. »Was willst du mir zeigen?
Beeil dich.«
    Markús
stieg die Treppe hinab in die Finsternis. Der Schein seiner
Taschenlampe konnte gegen den Staub und die Asche nicht viel
ausrichten, sodass das Ende der Treppe nicht zu sehen war.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Markús wirkte unnatürlich ruhig. »Du musst mir
glauben, dass ich nicht hergekommen bin, um das ... –
Dóra, du musst die Ausgrabung unbedingt stoppen und das Haus
wieder zuschütten lassen.«
    Dóra
beleuchtete ihre Füße mit der Taschenlampe. Sie wollte
auf keinen Fall auf der Treppe ausrutschen und kopfüber in den
Keller stürzen. »Ist es etwas, wovon du nichts
wusstest?«
    »Ja,
könnte man so sagen. Wenn ich das hätte verbergen wollen,
hätte ich eine Ausgrabung niemals zugelassen. Das kannst du
mir glauben.« Markús war auf dem Kellerfußboden
angelangt. »Ich glaube, jetzt sitze ich wirklich in der
Klemme.«
    Dóra
nahm die letzte Treppenstufe und stellte sich neben ihn. »Was
meinst du denn?«, fragte sie und leuchtete in alle
Richtungen.
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