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Das Geheimnis von Vennhues

Das Geheimnis von Vennhues

Titel: Das Geheimnis von Vennhues
Autoren: Holtkoetter Stefan
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Scheibe und schloss die Augen.
    Er kannte das Moor genau, besser als jeder andere im Dorf. Die Verbindung ist noch da, dachte er. Es fehlt mir, das Moor. Es fehlt mir wie ein Mensch.
    Er schwebte über die nebligen Felder zur Kirche, durchschritt Mauerwerk und Kirchenschiff, gelangte zur Wiese auf der anderen Seite. Vor ihm lag nun der gewundene Pfad, der zum Moor hinaus führte. Dessen Verlauf sich in all den Jahren nicht geändert hatte und sich in hundert Jahren nicht ändern würde. Er war nun dort angekommen. Das Moor lag hinter dem Birkenhain.
    Es ruft mich.
    Es ruft.
    Ich komme … ich komme …
    Kraftvoll stieß er sich vom Fensterbrett zurück.
    Du musst dich konzentrieren! Konzentriere dich!
    Er sank auf die kühlen Dielen und atmete tief durch. Er richtete seine Gedanken auf das harte Holz, auf die kühle Luft und den modrigen Geruch. Der Schwindel ging langsam vorüber, und auch die Halluzinationen verschwanden.
    Mit klopfendem Herzen blickte er in die Dunkelheit. Er hatte seit vielen Jahren keine Anfälle mehr bekommen. Sie hatten ihn so lange in Ruhe gelassen, dass er geglaubt hatte, er wäre wieder gesund und diese ganze Geschichte für immer vergessen.
    Erschöpft schleppte er sich zum Bett und rutschte unter das Laken. Seine Krankheit war noch immer da. Er hoffte, dass er für heute Ruhe haben würde. Eine Weile horchte er in seinen Körper, doch alles funktionierte wie immer. Vorerst war er davon befreit.
    Leise ächzte das Gebälk, und von Zeit zu Zeit trippelte eine Ratte über den Dachboden. Diese leisen Geräusche waren die letzten, die er wahrnahm, bevor ihn endlich der Schlaf übermannte.
    In dieser Nacht träumte er von der Brochnow. Er saß mit den anderen Männern in der Mannschaftsmesse, und sie hatten die Overalls gegen Jeans und Pullover ausgetauscht. Sie spielten Karten und tranken Wodka, und unter ihren Füßen bewegte sich der Rumpf des großen Schiffes. Es rollte sacht und gleichmäßig in der Dünung, und dieses Schaukeln war es, das ihn schließlich in einen tiefen und traumlosen Schlaf hinübergleiten ließ.

3
    Die Kriminalgruppe elf des Polizeipräsidiums Münster hatte ihren Sitz in einem unauffälligen Pavillonbau aus den siebziger Jahren an einer verkehrsreichen Ringstraße westlich der City. Sie war zuständig für Kapitalverbrechen, Organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität im Bereich Münster und fungierte gleichzeitig als Kriminalhauptstelle der umliegenden Landkreise des Münsterlandes, die von den Ausläufern des Teutoburger Waldes im Osten bis zu den entlegensten Winkeln an der deutsch-niederländischen Grenze im Westen reichten.
    Bernhard Hambrock, Erster Kriminalhauptkommissar und Gruppenleiter, saß an diesem Samstagvormittag als einer der letzten seines Teams im Präsidium. Er hatte es sich bequem gemacht im Büro und arbeitete das Aktenmaterial einer Mordermittlung auf, die am Montag der Staatsanwaltschaft übergeben werden sollte. Noch ein oder zwei Stunden, sagte er sich, dann wollte er Schluss machen und nach Hause fahren. Der Rest des Wochenendes war für seine Frau reserviert. Es war schon lange überfällig, dass sie wieder einmal ein paar Tage ganz für sich allein verbrachten.
    Er hatte gerade eine der letzten Akten geschlossen, als sich die Zentrale meldete und ihm ein Gespräch durchstellte. Das Telefonat dauerte kaum länger als drei Minuten, und doch war ihm sofort klar, dass es aus war mit seinen Wochenendplänen. Der Anruf kam aus Vennhues. Zuerst hatte er damit gerechnet, dass es jemand aus seiner Familie sein würde. Doch dann hatte er seinen Irrtum schnell erkannt und das Gespräch in einem geschäftlichen Ton zu Ende geführt.
    Im Anschluss blieb er eine Weile sitzen und blickte hinaus in den diesigen Oktoberhimmel. Auf den nassen Straßen dröhnte der Verkehr, und zahllose Autoreifen verwandelten das Laub auf der Fahrbahn zu einem matschigen, braunen Untergrund. Bei diesem Wetter würde es keinen Spaß machen, dort hinaus zu fahren, dachte er.
    Jemand räusperte sich. »Chef?«
    Hambrock wandte sich zur Tür. Philipp Häuser, Kommissariatsanwärter aus Köln und Praktikant im Münsteraner Polizeipräsidium, hatte seinen Kopf durch die Tür gesteckt und blickte ihn hoffnungsvoll an.
    »Kann ich jetzt Feierabend machen, Chef? Der Rest kann doch bis Montag warten, oder? Wir sind so gut wie fertig.«
    Hambrock erkannte an den Augenringen des Praktikanten, dass er bereits am Vorabend das Wochenende eingeläutet hatte. Er wohnte für
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