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Das Geheimnis von Vennhues

Das Geheimnis von Vennhues

Titel: Das Geheimnis von Vennhues
Autoren: Holtkoetter Stefan
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lange her, und heute wurden in der EU nicht einmal mehr Passkontrollen vorgenommen.
    Hier stimmte etwas nicht. Wer immer dort in der Dunkelheit unterwegs war, dachte der alte Bauer, er konnte nichts Gutes im Sinn haben. Vielleicht war es ein Einbrecher, der glaubte, die einfachen Leute hier draußen wären dumm genug, sich in der Nacht ausrauben zu lassen.
    Hastig zog er sein Fahrrad aus dem Graben und wischte mit einem leisen Fluch den Dreck von Lenker und Sattel. Danach schwang er sich hinauf und nahm die Verfolgung auf. Wenn Einbrecher oder Schlimmeres unbemerkt in Vennhues unterwegs waren, dann musste er das wissen.
    Er bog in den Feldweg ein, und nach kurzer Zeit sah er den Schatten wieder. Der Mann marschierte auf direktem Weg zum Hof von Werner Bodenstein. Mit angehaltenem Atem beobachtete Josef Kemper, wie der Fremde an der Tür schellte und wartete, bis der alte Bauer ihm öffnete. Das Licht aus dem Innern fiel auf das Gesicht des Fremden, und Werner Bodenstein ließ ihn herein. Er schloss die Tür, und wieder fiel Dunkelheit über die Steintreppe vor seinem Haus.
    Josef Kemper stand wie angewachsen auf dem Feldweg. Er traute seinen Augen nicht. Es musste ein Irrtum sein. Er sei viel zu weit entfernt, sagte er sich, um seinen Beobachtungen trauen zu können. Es war unmöglich, dass Peter Bodenstein wieder aufgetaucht war. Das würde er niemals wagen.
    Er zögerte einen Moment, dann fuhr er näher an das Haus heran. Er wollte Gewissheit haben. Eher konnte er nicht nach Hause fahren.
    Bodensteins Hofhund war seit Jahren tot, und niemand würde es bemerken, wenn er um das Haus herumschlich. Was war schon dabei, wenn er durch die Fenster in die Diele blickte? Zwar mochte er den alten Bauern und hätte für gewöhnlich nichts hinter seinem Rücken unternehmen wollen. Doch dieser Fall war anders. Hier musste er handeln.
    Denn sollte es tatsächlich Peter Bodenstein sein, der dort an der Tür erschienen war, dann musste er es wissen. Wenn der Junge nach all den Jahren wiedergekommen war, dann war ihre Zeit gekommen. Dann mussten sie etwas unternehmen.

    In der Kammer roch es nach faulem Holz, nach Staub und alten Mottenkugeln. Der Raum war seit Jahren nicht benutzt worden, und ein modriger Geruch hatte sich in Wänden und Vorhängen festgesetzt. Peter Bodenstein lag auf dem frisch bezogenen Bett seiner Großeltern und starrte in die Dunkelheit.
    Er hatte es geschafft, für ein oder zwei Stunden Schlaf zu finden, doch dann war er wieder aufgewacht. Unruhige Nächte waren ganz typisch in der ersten Zeit an Land. Das Rollen des Schiffes fehlte, und der feste Boden unter dem Bett verwirrte seinen Gleichgewichtssinn, so dass er das Gefühl hatte zu schwanken.
    Doch seine Schlaflosigkeit hatte einen anderen Charakter. Es war nicht wie in seinem Hamburger Apartment, in dem er für gewöhnlich die Zeit an Land verbrachte. Da war noch etwas anderes, das ihn nicht schlafen ließ. Er war seit beinahe sechsunddreißig Stunden wach, und sein Körper sehnte sich nach Ruhe und Schlaf. Doch irgendetwas hielt ihn wach.
    Er schlug die Decke zur Seite und stieg aus dem Bett. Der Mond erhellte die Apfelwiese vor seinem Fenster. Nebel bildete sich zwischen den Bäumen. Er hielt den Atem an und lauschte.
    Dann sah er hinüber zu der Stelle, wo ein Holzzaun die Wiese von der Auffahrt trennte. Früher war dort die Kuhle gewesen, der Tümpel mit Löschwasser, der zu jedem Bauernhof gehörte. Mehrere Kinder der Familie hatten früher den Tod darin gefunden. Sie waren beim Spielen am Ufer abgerutscht oder im Winter auf dem dünnen Eis eingebrochen. Die Erwachsenen hatten daraufhin den Geist in der Kuhle erfunden, eine furchtbare Schlammgestalt, die sich unachtsame Kinder holte. Erst nach dem Krieg hatte sein Großvater den Tümpel endgültig zugebaggert, um die tödliche Tradition zu durchbrechen.
    Der Ruf einer Eule drang durch das Fenster. Peter schaute hinaus in den Himmel und sah einen kleinen Nachtvogel, der in Richtung des Dorfs davonflatterte. Mit dem Blick folgte er ihm bis zur Silhouette der barocken Kirche, die sich über den Bäumen und Wallhecken erhob.
    Schwindel erfasste ihn, und ein Gefühl der Übelkeit zog seinen Magen zusammen. Plötzlich konnte er den Blick nicht mehr von dieser Silhouette abwenden. Er wusste, dahinter war das Moor. Hinter dem Friedhof begann der Pfad, der hineinführte. Es war ganz nah.
    Der Schwindel brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er hielt sich am Fensterbrett fest, legte die Stirn an die kühle
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