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Das Geheimnis von Vennhues

Das Geheimnis von Vennhues

Titel: Das Geheimnis von Vennhues
Autoren: Holtkoetter Stefan
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sein. Doch damals war er noch nicht bereit gewesen. Da war es ihm noch unmöglich vorgekommen, nach Vennhues zurückzukehren.
    Sein Vater bemerkte den Ausdruck in seinem Gesicht und wechselte eilig das Thema.
    »Aber nun erzähle von dir«, sagte er. »Bist du immer noch Schiffsjunge auf einem dieser Überseekähne?« Peter musste lachen. Aber woher sollte sein Vater wissen, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten in seinem Leben geschehen war?
    »Ich bin Ingenieur«, sagte er. »Das bin ich schon seit achtzehn Jahren, um genau zu sein. Ich habe damals eine Ausbildung gemacht und danach auf unterschiedlichen Schiffen gearbeitet. Seit acht Jahren bin ich Erster Ingenieur auf der Brochnow, einem Frachter, der unter deutscher Flagge meist den Pazifik ansteuert.«
    Sein Vater zögerte, bevor er seine nächste Frage stellte.
    »Wie lange wirst du bleiben?«
    Peter ahnte bereits, welche Antwort sich der alte Mann erhoffte. Doch diesen Gefallen konnte er ihm nicht tun.
    »Solange mein Landurlaub dauert«, sagte er.
    Sein Vater nickte langsam. Er begriff nun, dass Peter wieder gehen würde.
    Sein Gesicht war versteinert, und er blickte stumm ins Feuer.
    Um keinen Zweifel an seinem Entschluss zu lassen, schob Peter hinterher: »Am 28. Dezember sticht die Brochnow in Dünkirchen in See. Dann werde auch ich wieder an Bord sein und meinen Dienst antreten.«
    Über Le Havre würde es geradewegs weitergehen nach Panama und durch den Kanal in den Südpazifik, wo sie in den Häfen zwischen Neuseeland und Sumatra ihre Container abladen und neue Ware aufnehmen würden. Es war eine vertraute Strecke, die sie schon zahllose Male zurückgelegt hatten. Wenn er an Bord ging, dann war es stets, als käme er nach Hause. Von ferne hörte er dann das Geräusch der Schiffsmotoren, seiner Motoren. Ein Geräusch, das ihm so vertraut war wie der Schlag seines eigenen Herzens.
    Dort gehörte er hin. Im ölverschmierten, weißen Overall tief unten im heißen und stickigen Bug der Brochnow. Egal was passierte und egal wie er sich dabei fühlen würde, dieses Zuhause wollte er niemals aufgeben. In Vennhues war er nur zu Besuch, der Ort würde nicht wieder seine Heimat werden. Das durfte er nicht vergessen.
    Die beiden Männer sahen in das prasselnde Feuer und ließen ihre Gedanken schweifen. Schließlich nahm Peter einen Schluck von seinem Glühwein und strich sich durchs Gesicht.
    »Den Mörder haben sie niemals gefasst, oder?«
    Es war eine Feststellung. Er konnte nicht sagen weshalb, doch er hatte nie in Frage gestellt, dass er noch immer auf freiem Fuß war. Nachdem sie Peter aus Mangel an Beweisen freigesprochen hatten und er noch in derselben Nacht seine Sachen gepackt hatte, da war ihm klargewesen, dass niemand mehr nach einem Mörder suchen würde. Sie hatten ihn bereits gefunden. Freispruch oder nicht, das spielte keine Rolle. Es hatte niemanden gegeben, der an seiner Schuld gezweifelt hatte.
    Sein Vater fixierte starr die Flammen und schwieg noch immer.
    Peter hatte also Recht behalten.
    »Was denken die Nachbarn im Dorf?«, fragte er. »Haben sie ihre Meinung geändert? Kann ich mich hier überhaupt sehen lassen?«
    »Das alles ist schon so lange her.« Mit einem freudlosen Lächeln fügte er hinzu: »Dreiundzwanzig Jahre. In Haftjahren ist das fast lebenslänglich.«
    »Aber darum geht es hier nicht.«
    »Nein.« Sein Vater schüttelte den Kopf. »Es redet schon lange niemand mehr über das, was damals war. Viele, die sich erinnern könnten, leben längst nicht mehr, und andere sind vor langer Zeit aus Vennhues weggezogen. Was soll dir heute schon passieren? Außer ein paar schiefen Blicken hast du nichts zu erwarten. Dafür ist einfach zu viel Zeit vergangen.«
    »Wäre ich damals nicht geflohen, hätten sie mich umgebracht. Und ich kann es ihnen nicht einmal verdenken. Im Gegenteil.«
    »Reden wir nicht von damals«, unterbrach ihn sein Vater und lehnte sich im Schaukelstuhl zurück. »Spätestens morgen werden wir es wissen. Wenn wir ins Dorf gehen und das Grab deiner Mutter besuchen, dann wird sich zeigen, wie sie auf dich reagieren.«
    »Also gut. Warten wir bis morgen.«
    Eine Weile blickte Peter seinen Vater an.
    »Ich habe ihn nicht ermordet«, sagte er wieder einmal. »Ich bin es nicht gewesen.«
    »Das weiß ich, mein Junge«, sagte Werner Bodenstein ohne Überzeugung. »Das weiß ich doch.«
    Schweigend saßen sie noch eine Weile im Widerschein des flackernden Lichts. Erst als das Feuer niedergebrannt war und sich die
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