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Das Geheimnis des Roten Ritters

Titel: Das Geheimnis des Roten Ritters
Autoren: dtv
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wurde es lauter und lauter. Da musste jemand in vollem Galopp
     unterwegs sein. Ein Wagnis auf der von Geröll übersäten Landstraße!
    Hinter den niedrig hängenden Zweigen desHolunders verborgen sahen die beiden einen Reiter heranpreschen. Ein Edelmann auf einem Rappen, sein dunkelroter Umhang wehte
     ihm von den Schultern.
    »Gütiger Gott!« Johanna wollte auf die Füße springen.
    Der Rappe war mit den Vorderhufen gegen einen großen Stein geschlagen und gestrauchelt. Der Reiter riss am Zaumzeug und im
     selben Moment hatte das Pferd sich wieder gefangen. Aber es bockte und tänzelte. Erst als sie an dem Holunderbusch vorbei
     waren, hatte der Edelmann den Schwarzen im Griff. Schnell nahmen sie Tempo auf und verschwanden in einer Staubwolke, die die
     von Pappeln gesäumte Straße verhüllte.
    »Das war knapp«, meinte Johanna.
    Hagen antwortete nicht. Er hustete und hustete; der Staub quälte seine empfindliche Lunge.
    »Ich brauche Wasser«, keuchte er. »Vielleicht ist hier ja irgendwo ein Bach.«
    »Bestimmt«, versuchte Johanna ihn zu trösten. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie Hagen zu der anstrengenden Wanderung
     verleitet hatte.
    Doch plötzlich richtete sich ihr Bruder auf. Mit drei, vier schnellen Schritten war er auf der Straße.
    »Sieh nur!«, rief er. »Sieh, was ich gefunden habe!«
    Er hob einen ledernen Beutel in die Luft, groß wie ein Kinderkopf.
    Schon stand Johanna neben ihm und hielt ihre Hände auf.
    Hagen legte den Beutel hinein.
    »Der ist schwer.« Johannas Stimme verriet Neugier. »Ob der Reiter ihn verloren hat?«
    »Ich glaub schon«, meinte Hagen. »Vorher hat hier doch nichts anderes gelegen als diese elenden Steine.« Er klopfte den Staub
     von dem Säckchen. »Schau. Das Wappenzeichen.« Fast ehrfürchtig fuhr er mit den Fingerspitzen das eingegerbte Zeichen entlang,
     das das rissige Leder zierte. Der Beutel war alt und abgegriffen und das Wappen nur schwer zu erkennen.
    »Es sind zwei gekreuzte Schwerter«, sagte er. »Der Reiter hatte sie auch auf seinem Umhang.«
    Johanna schaute ihn zweifelnd an. »Meinst du?«
    Hagen nickte. »Als das Pferd strauchelte, habe ich seinen Umhang genau gesehen. Zwei gekreuzte Schwerter, da bin ich mir sicher.«
     Er nahm Johanna das Säckchen wieder aus den Händen und trug es zum Holunderbusch.
    »Was hast du vor?«, fragte Johanna.
    Hagen lächelte. Johanna wusste genau, was er vorhatte. Er wollte nachschauen, was in dem Beutel war, den der Rote Ritter verloren
     hatte. Behutsam legte er das Ledersäckchen ins Gras und öffnete das verknotete Band.
    Und dann rissen Hagen und Johanna die Augen auf: Goldstücke kullerten ins Gras, dick und schwer, allerdings ganz ohne Prägung.
     Es war mehr Gold, als sie beide in ihrem Leben gesehen hatten. Der rote Reiter hatte einen wahren Schatz verloren.
    »Gütiger Gott«, entfuhr es Johanna zum zweiten Mal an diesem Tag. Sie ließ die Goldstücke durch ihre Finger gleiten. Dann
     fischte sie ein paar der leichten Münzen heraus, die sich auch in dem Säckchen befanden.
    »Das hier sind nur Brakteaten. Dünnes Silberblech, längst nicht so viel wert wie das Gold, obwohl sie der Kaiser kunstvoll
     prägen lässt«, stellte sie fest.
    Hagen stieß sie an. »Gib nicht so an«, lästerte er. »Als hättest du Ahnung von so etwas. Du kannst doch froh sein, wenn du
     mal einen Viertelpfennig kriegst, wenn Markttag ist.« Er nahm ebenfalls eine Münze in die Hand und ließ die Sonne darin aufblitzen.
     »Auf jeden Fall müssen wir dem Herrn das Geld zurückgeben.«

    »Du willst ihm das Geld zurückgeben? Der ist doch mittlerweile etliche Meilen weiter. Wie sollen wir den denn finden?« Johannas
     Augen wanderten sehnsüchtig über die goldenen Taler. Was man damit alles Schönes kaufen könnte   … Ach, am allerliebsten hätte sie ein Pferd und eine Ritterrüstung   … und heiraten bräuchte sie vielleicht auch nicht, wenn ihr so ein Schatz gehören würde   … Aber leider, leider gehörte er ja dem fremden Reiter   …
    »Das weiß ich auch nicht«, unterbrach Hagen ihre Träumereien. »Oder meinst du, wir sollten hier warten, bis er zurückkommt?«
     Er schüttelte den Kopf. „Nein, wer weiß, wann er den Verlust bemerkt. Bis dahin bin ich verdurstet und verhungert. Hier können
     wir nicht bleiben.« Er schaute sich um. »Es gibt hier auch Bären   …«
    Johanna seufzte und stand auf. »Wir gehen ins nächste Dorf. Bis Oberau kann es nicht weit sein. Vielleicht ist er dort in
     einer
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