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Das Geheimnis des Roten Ritters

Titel: Das Geheimnis des Roten Ritters
Autoren: dtv
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frei«, ging es Johanna durch den Kopf. Sie wusste,
     dass aus einem hörigen Knecht in der Stadtein freier Bürger wurde, wenn er ein Jahr und einen Tag lang von seinem Leibherrn nicht zurückgefordert wurde.
    Selbst den Rittern, die hoch zu Pferd auf die zerlumpten Gestalten herunterblickten, war nicht unbedingt zu trauen. Einige
     von ihnen hatten nicht einmal Land und Burg und schielten neidisch auf die reichen Händler und Kaufleute. Verglichen mit den
     wohlhabenden Bürgern, von denen es in den Städten immer mehr gab, war manch Ritter ein armer Schlucker. Darüber hatte Ritter
     Karl oft genug geklagt.
    Doch plötzlich kam Johanna nicht mehr dazu, über ihre Weggenossen auf der Straße zu grübeln. Denn in diesem Moment sah sie
     ihn! Den Roten Ritter! Er ritt auf seinem Rappen die Landstraße entlang, etwa 200   Fuß vor ihnen.
    Johanna riss die Arme in die Höhe. »Halt, Herr!«, rief sie. »Wartet!«
    Doch natürlich drehte der Reiter sich nicht um. In all dem Getümmel auf der Straße fühlte er sich wohl durch die Stimme eines
     Mädchens nicht angesprochen. Und schon nach wenigen Sekunden war er hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden.
    »Schnell! Hinterher!« Johanna und Hagen trieben ihre Pferde an, so gut und so schnell es eben ging.Aber sie holten den Mann auf dem Pferd nicht mehr ein.
    »Lass uns fragen, ob jemand den Ritter mit dem roten Umhang gesehen hat oder ihn vielleicht sogar kennt«, schlug Johanna schließlich
     vor. Sie stiegen ab und führten die Pferde am Halfter.
    Zunächst ernteten sie nur Kopfschütteln auf ihre Frage nach dem fremden Ritter. Doch endlich nickte ein Scherenschleifer,
     der vor einem Gasthaus an einer Weggabelung stand.
    »Er wird wohl noch da drinnen sein und vespern«, meinte er und zeigte zu dem weiß getünchten Haus hinüber, über dessen Tür
     das vergoldete Abbild eines Bären hing. Es war ein recht großer Bau, an den sich eine Pferdetränke anschloss. »Seht. Dort
     ist sein Pferd.«
    Hagen und Johanna musterten den Rappen, der an einem Balken angebunden war und unruhig seinen schönen Kopf hin und her warf.
    »Tatsächlich, das ist es. Schau nur das Wappen auf der Pferdedecke«, sagte Hagen.
    Johanna nickte. »Ja, das ist es wohl«, seufzte sie.
    Jetzt, wo sie den Fremden gefunden hatten, spürte sie plötzlich Enttäuschung. Sollte das große Abenteuer schon bald vorbei
     sein?
    In ein paar Minuten würden sie mit dem Ritter zusammen zum Kloster reiten, um ihm sein Eigentum wiederzugeben. Dann gab es
     keinen Grund mehr, nach Mainz zu ziehen. Dabei waren sie dem Ritterfest so nahe!
    Sie banden ihre Pferde ein paar Meter von dem des Fremden entfernt an den Balken. Dann versuchten sie durch eines der niedrigen
     Fenster den Mann im roten Umhang zu entdecken.
    Aber die Schenke war sehr voll. Auf den Bänken hockte allerlei Volk: Spielleute, Handwerksburschen, Händler, Tagelöhner und
     auch ein paar Frauen. Es wurde gelacht und geschrien und Würfelbecher wurden mit Schwung auf die Tische geknallt.
    Den Zwillingen blieb nichts anderes übrig, als die laute und stickige Gaststube des Goldenen Bären zu betreten.
    Niemand achtete auf die zwei Halbwüchsigen, die sich ihren Weg zwischen den Holztischen bahnten. Es roch nach Schweiß, Bier
     und saurem Wein. Der Fußboden war mit Bier und Spucke bedeckt.
    Dicht gedrängt saßen die Gäste auf einfachen Holzbänken und ließen sich das Bier schmecken. Die Stimmung war ausgelassen.
     Morgen, am Pfingstsonntag,sollte das Hoffest beginnen. Zwar würde von den Besuchern der Schenke kaum einer den Kaiser und seine Söhne zu Gesicht bekommen,
     aber eine Abwechslung vom Alltag war das Ereignis für jeden in und um Mainz.

    »Dahinten sitzt er!« Hagen blieb stehen.
    Jetzt sah auch Johanna den Fremden, der an einem Tisch in einem schlecht beleuchteten Winkel der Stube saß. Im Gegensatz zu
     den anderen Gästen schien er übler Laune zu sein.
    Leise, aber wütend redete er auf einen älteren Mann ein, der seinem hohen spitzen Hut zufolge ein jüdischer Händler war. Unter
     den Händlern gab es viele Juden, denn das war einer der wenigen Berufe, die ihnen erlaubt waren. Weder die Kaufmannsgilden
     noch die Zünfte der Handwerker nahmen Juden auf, und Grund und Boden durften sie auch nicht erwerben. Etliche von ihnen lebten
     auch davon, Geld zu verleihen; den Christen verbot die Kirche nämlich, Zinsen zu nehmen.
    Johanna hielt Hagen, der auf den Ritter zugehen wollte, zurück. »Der scheint aber sehr schlechte
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