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Das Geheimnis der toten Vögel

Das Geheimnis der toten Vögel

Titel: Das Geheimnis der toten Vögel
Autoren: Anna Jansson
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Luke zu ihren Weibchen und Jungen und dann zum abendlichen Futter wollten. Same procedure, jeden Abend.
     
    Ganz außen auf dem Dachfirst saß eine neue Taube, die dem Schwarm zum Schlag gefolgt sein musste. Es war ein kräftiger, leicht braun gefleckter Vogel mit weißem Kopf. Wahrscheinlich ein Männchen. Den musste er sich näher anschauen. Ruben hakte die niedrige Tür zum Schuppen auf, schlich die knarrende Holztreppe zum Taubenschlag hoch und dann zu den Säcken mit den Hanfsamen. Das waren Leckereien, die die neue Taube würden hineinlocken können. Er stellte Luke und Gitter so ein, dass die Vögel in den Taubenschlag hinein-, aber nicht hinausspazieren konnten, und wartete in der Dunkelheit, während die untergehende Sonne den Himmel und das Meer orangerot färbte und eine glühende Sonnenstraße sich ausbreitete.
     
    Die Vögel schlugen sich um das Futter. Von Schneider hackte Winterbottom auf den Kopf und kriegte als Antwort dafür einen Schlag mit dem Flügel ab. Wer meint, Tauben seien die wahren Friedenssymbole, der täuscht sich. Das hatte Ruben schon bei vielen Gelegenheiten gesagt. Es gibt keine Vogelart mit mehr Aggression und Herrschaftsgebaren als die Taube, aber als Symbol für Liebe und Treue funktioniert sie ausgezeichnet. Die besten Flugkünstler sind die Männchen, deren Weibchen gerade brüten oder Junge haben. Sie geben alles dafür, schnell nach Hause zu kommen, was man bedenken sollte, wenn man für einen Wettkampf Brieftauben auswählt.
     
    Ruben hatte schon angefangen, die Tauben auszusuchen, mit denen er dieses Wochenende am Brieftaubenwettbewerb seines Clubs teilnehmen würde. Die Tauben würden früh am Sonntagmorgen von der Gotska Sandön losgeschickt werden. Zuvor würden die Uhren der Brieftaubenbesitzer so kalibriert werden, dass sie synchron und nach der offiziellen Zeit liefen. Auf diese Weise ersparte man sich nachträgliche hässliche Diskussionen, wenn der Schnitt in Kilometer und Zeit ausgerechnet wurde. Aber natürlich gab es auch Leute, die schummelten. Petter Cederroth hatte einmal ein kaum sichtbares Loch in das O vom Hersteller des Glasdeckels gebohrt. Dann hatte er die Uhr mit Hilfe einer Nadel bei einer passenden Zeit angehalten, um eine Wahnsinnszeit stempeln zu können. Damit man ihm nicht auf die Schliche kam, hatte er kurz vor dem Öffnen der Uhren die Zeiger vorgerückt, sodass die Zeit wieder stimmte. Ganz schön schlau, hätte sich nicht seine Frau verplappert, als sie einen in der Krone hatte. Ruben kannte niemanden, der in leicht angeheitertem Zustand so mitteilsam war wie Sonja Cederroth.
     
    Wenn es um richtig viel Geld gegangen wäre, wie bei den Wettkämpfen auf nationaler Ebene, und nicht nur um den Wanderpreis »Die Silbertaube«, dann wäre Cederroth sicherlich aus dem Brieftaubenverband ausgeschlossen worden. Aber der Club schwieg die Sache tot. Er war einfach so nett, und noch dazu war er richtig gut darin, Gotlandsdricka zu brauen. Das musste zu seiner Verteidigung gesagt werden.
     
    Der neu angekommene Tauber hockte immer noch auf dem Dach und hatte es nicht eilig, auch wenn er hin und wieder neugierig in den Schlag äugte. Ruben holte den Feldstecher heraus und betrachtete ihn. Wirklich ein kräftiger Vogel und vom Flug offenbar sehr mitgenommen. Ein Metallring am Bein als Markierung. Also war er ein Ausländer, in Schweden trugen die Tauben ja Plastikringe. Ein Flugtourist auf Besuch? Bestimmt war die Taube lange unterwegs gewesen, ehe sie sich dem Schwarm angeschlossen hatte. Demnach sollte der Hunger größer sein als das Misstrauen, und der Vogel würde schon in den Schlag kommen. Das war doch das Letzte, jetzt musste man sich noch lächerlich machen und aufs Blechdach steigen, um das Tier herunterzuholen.
     
    Ruben kroch mit seinem Fangkäfig heraus. Die Taube flatterte auf und setzte sich dann ganz außen auf die Regenrinne und schaute zu, wie die Käfigfalle aufgestellt wurde. Ein Stöckchen mit einer Nylonschnur hielt die Klappe auf, und im Käfig selbst lagen appetitliche Hanfsamen auf dem Futterbrei. »Jetzt komm! Komm näher!« Ruben kroch zurück und stand dann unbeweglich mit der gespannten Nylonschnur in der Hand hinter der Wand. »Nun komm schon! Noch ein Stück. Genau, ich sehe doch, dass du hungrig bist.« Die Taube beäugte den Käfig mit halb geschlossenen Augenlidern und lächelte frech. Ruben kam es höhnisch vor, wie sie lief und den Kopf in den Nacken warf. »Was bist du für ein Vogel, und woher kommst du?« Es war
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