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Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie

Titel: Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Autoren: Wilfried Esch
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dicken Mann dort am Tresen?« Michelangelo warf einen Blick zur Theke und nickte. Sie wurde plötzlich sehr leise, fast flüsterte sie: »Er lässt mich in seinem Haus wohnen, umsonst, und versorgt mich auch mit Essen in dieser elenden Herberge.«
    »Ich suche noch einen Platz zum Schlafen. Wäre es möglich, dort...«
    Energisch unterbrach ihn das Mädchen. »Nein«, antwortete sie. »Dort ist kein Unterkommen für Euch. Dafür, dass ich dort wohnen und essen darf, muss ich seinen Gästen«, sie zögerte einen Augenblick und schaute zu Boden. »Ich muss seinen Gästen zu Diensten sein, um meine Schulden bei ihm abzutragen«, flüsterte sie noch leiser und wagte nicht aufzuschauen.
    Michelangelo schwieg bedrückt. Das hatte er nicht erwartet. Doch trotzig wie immer entgegnete er dem staunenden Mädchen: »Trotzdem, ich bleibe dabei, ich will Dich unbedingt malen. Deine Schönheit will ich für immer festhalten! Du wirst unsterblich!«
    Sie schwieg ratlos.
    »Kennt Ihr denn einen besseren Platz, wo ich mein Haupt betten kann und wo es hell genug ist, um eine Staffelei aufstellen zu können und zu malen?« Melissa überlegte einen Augenblick.
    »Ja, Signora Lucia hat am Ende der Straße ein Haus, die Gasse hoch. Dahinter ist ein leerer Speicher mit einem großen Fenster. Ich könnte sie ja fragen, ob sie Euch dort gegen ein angemessenes Entgelt wohnen lässt.«
    So fand Michelangelo für einige Wochen eine Unterkunft und begann zu malen. Melissa wurde sein Modell und bald auch seine Geliebte. Michelangelo glaubte sich im Himmel, so glücklich und unbeschwert war er, wenn Melissa bei ihm war.
    Eines Tages kam Melissa verspätet zu ihm. Ihr Kleid war zerrissen und unter ihrem linken Auge eine blutende Platzwunde.
    »Was ist geschehen?«, wollte Michelangelo entsetzt wissen. Melissa weinte bitterlich.
    »Das war er«, schluchzte sie. »Er hat herausgefunden, dass ich Euch heimlich besuche. Und deshalb hat er zugeschlagen.«
    Michelangelos Zorn kochte augenblicklich hoch, doch drückte er Melissa liebevoll an sich.
    »Komm mit mir«, platzte es aus ihm heraus, brennender Zorn und innige Liebe zugleich brodelten in seinem Inneren. »Wir verlassen Neapel, heiraten und fangen zusammen neu an. Meine Liebe zu Dir ist aufrichtig, Melissa, bleib bei mir!«
    Energisch schüttelte Melissa den Kopf und löste sich von ihm.
    »Ich bin nichts für Dich. Lass ab von mir. Du bist ein Künstler und gehörst nicht in meine Welt, so wie ich nicht in Deine Welt gehöre. Vergiss mich. Verlass Neapel ohne mich. Verbrenne das Bild, das Du von mir gemalt hast und komm nie wieder zurück.«
    Entgeistert blickte Michelangelo sie an.
    »Aber warum?«
    »Er würde es nie zulassen. Eher würde er mich umbringen und Dich auch. Und das könnte ich nicht ertragen.« Melissa weinte leise, war aber seltsam ruhig, lief dann still davon und ließ einen enttäuschten, verwirrten Mann zurück. In der Nacht beschloss Caravaggio, Melissa freizukaufen und betrat in aller Frühe die düstere, noch leere Herberge, um mit dem Wirt zu verhandeln. Der Wirt nahm das ihm angebotene Geld sofort, steckte es hastig in sein Wams und rief dann nach Melissa.
    »Ist das wahr, was dieser Kerl dort behauptet, dass du ihn liebst?«, höhnte er durch den noch leeren Schankraum.
    »Nein, nein, ich liebe ihn nicht. Meine ganze Liebe gehört Euch!«.
    »Da habt Ihr es selbst gehört«, sprach der Wirt zu Michelangelo. »Und nun raus hier, los, verschwinde!«
    »Ich gehe nicht ohne Melissa«, entgegnete Michelangelo entschieden. Plötzlich hatte der Wirt einen Dolch in der Hand und stürzte sich damit auf Michelangelo. Geschickt wich dieser dem Stoß aus und konnte dem Angreifer mit einem gezielten Fußtritt die Waffe aus der Hand getreten. Wutentbrannt warf sich der Wirt mit seinem massigen Körper auf Michelangelo, beide zu Boden reißend. Doch schnell kamen sie wieder auf die Beine und stürmten erneut aufeinander zu. Durch eine flinke Drehung konnte der Maler seinen Gegner zu Fall bringen, wobei er unglücklich mit dem Kopf gegen eine Tischkante schlug und reglos liegen blieb. Heftig nach Luft ringend, beugte sich Michelangelo über den Wirt. Da begann Melissa verzweifelt zu schreien:
    »Du hast ihn umgebracht! Du hast ihn umgebracht! Du hast mein Leben zerstört!«
    Noch ehe Michelangelo auch nur ein Wort sagen konnte, stürzte Melissa mit dem Dolch in der Hand schreiend auf ihn zu. Völlig überrascht und noch immer ungläubig, war es ihm nicht mehr möglich, ihrer rasenden
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