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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin
Autoren: Lea Korte
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verbittertes »Wie sinnig!« unterdrücken, aber so wenige Minuten vor der Trennung war wohl kaum der geeignete Zeitpunkt für einen neuen Streit.
    »Der Kapitän hat mich außerdem gewarnt, dass ihr auf keinen Fall Kastilisch reden sollt, falls der Kontrolleur euch anspricht!«
    Zahra schärfte dies vor allem Yayah ein, der sich daraufhin den Zeigefinger und den Daumen auf den Mund legte und so tat, als schließe er ihn ab. Obwohl Zahra sah, dass er sich überdies um ein verschmitztes Grinsen bemühte, mit dem er sie sonst immer aufmuntern konnte, schaffte sie es nicht, sich ein Lächeln abzuringen. Sie fuhr ihm durchs Haar und nickte ihm zu.
    Dann wurde es Zeit, an Bord zu gehen. Zuerst verabschiedeten sich die Kinder von Jaime: Chalida schluchzte und klammerte sich so sehr an den Hals ihres Vaters, dass Aaron sie von ihm wegreißen musste. Er versprach Jaime, immer gut auf sie und alle anderen aufzupassen, und führte Chalida, die vor lauter Weinen am ganzen Körper zitterte, über die Bohlen an Bord. Auch Yayah weinte, aber da er vor den Matrosen, die noch mit dem Laden der letzten Frachtstücke beschäftigt waren, nicht als kleines, heulendes Kind dastehen wollte, fasste er sich schließlich, schlang noch ein letztes Mal die dünnen Arme um den Hals seines Vaters und rannte dann Chalida und Aaron hinterher. Schließlich kam die Reihe an Abdarrahman. Zuerst stand er nur einfach vor Jaime, sah ihn an, und jeder spürte, welche Gefühlsstürme in diesem Moment in ihm tobten. Der Groll, die Wut, das Unverständnis, das sich in den letzten Jahren wie eine Wand zwischen sie geschoben hatte, kam in diesem Moment ebenso wieder in ihm hoch wie die guten Erinnerungen an früher, als sie noch unter Boabdil gelebt hatten. Ohne eine Miene zu verziehen, nickte er seinem Vater zu, wandte sich dann von ihm ab, um zum Schiff zu gehen, aber dann schnellte er doch noch einmal herum, schlang die Arme um Jaime und schluchzte wie ein Kind. »Ich … es tut mir leid, Vater, vor allem, das, was ich damals im Patio zu Euch gesagt habe und überhaupt …« Seine weiteren Worte ertranken in seinen Tränen.
    Auch Jaime traten Tränen in die Augen. »Mir tut es leid, mein Sohn,
mir!
Und sei gewiss, dass ich deine Wut auf mich verstehe – aber ich konnte nicht anders handeln. Genau wie ich auch jetzt … Nein, ich könnte nicht mit euch gehen. Es würde sich nicht richtig anfühlen. Wir … Es ist besser so, wie es ist. Für euch und für mich. Mach es gut, möge Gott dir beistehen und seine schützende Hand über dich halten und dir in Marokko ein glücklicheres Leben bescheren, als du es hier gehabt hast! Sei gewiss, dass ich in Gedanken immer bei dir und euch allen sein werde!«
    Und dann kam die Reihe an Zahra, die sich abseits gehalten hatte. Sie reichte Abdarrahman sowohl seinen Sohn als auch Mohammed und bat ihn, schon an Bord zu gehen.
    Auch wenn Zahra klar gewesen war, dass ihr dieser Abschied schwerfallen würde – es war nichts gegen das, wie sie sich jetzt fühlte. Komm mit!, schrie alles in ihr, ich liebe dich, lass mich nicht allein!, und: Verdammt, es sind doch auch deine Kinder! – Doch kein Wort kam ihr über die Lippen, und von Atemzug zu Atemzug musste sie mehr Kraft aufbringen, um Jaime nicht doch noch um den Hals zu fallen.
    »Ich …« Auch Jaime hatte sichtlich Probleme zu sprechen. »Ich hoffe, du kannst verstehen, dass ich … Zahra, es geht nicht anders. Ich … es wäre nicht richtig, wenn ich mitkäme, es würde nichts bringen, weil wir … Ich meine, ach, zum Donner, Zahra, du weißt genau, was ich sagen will. Es geht einfach nicht!«
    Zahra schloss kurz die Augen zum Zeichen ihrer Zustimmung.
    »Und ich hoffe, mein Gott, Zahra, ich …« Jaime brach die Stimme, und als er die Hände hob, um sie ein letztes Mal zu umarmen, wehrte Zahra ihn ab und schritt eilig den anderen hinterher aufs Schiff, ohne sich noch einmal umzusehen.
    An Bord überfielen ihre Gefühle sie umso heftiger, und sie musste sich mit aller Kraft in die Hand beißen, um nicht hemmungslos aufzuschluchzen. Einige Minuten später hatte sie sich wieder so weit gefasst, dass sie zu den anderen am Bug treten konnte, wo sie nach Jaime Ausschau hielten.
    »Wisst Ihr, wo Vater hin ist?«, fragte Yayah sie und wischte sich nun doch wieder Tränen von den Wangen. »Die Matrosen haben uns von da drüben weggescheucht, und jetzt können wir Vater nirgends mehr entdecken!«
    Zahra legte ihm den Arm um die Schulter und suchte mit ihm, konnte
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