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Das Geheimnis der Goldmine

Das Geheimnis der Goldmine

Titel: Das Geheimnis der Goldmine
Autoren: Agatha Christie
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einfallslosen Äußeren verbarg sich ein höchst einfallsreicher Denker. Eine seiner Arbeitsmethoden bestand darin, phantastische Schuldtheorien zu konstruieren und an der Person, die er gerade verhörte, auszuprobieren.
    Mit sicherem Blick hatte er Miss Griffith als die Person erkannt, die ihm am ehesten einen zusammenhängenden Bericht über die Ereignisse geben könnte, die dazu geführt hatten, dass er nun hier saß. Nach einer bewundernswerten Zusammenfassung der Geschehnisse dieses Vormittags hatte sie eben das Zimmer verlassen. Inspektor Neele legte sich selber drei verschiedene, hochdramatische Gründe vor, aus denen die altgediente Bürovorsteherin den Vormittagstee ihres Arbeitgebers hätte vergiften können, und verwarf alle drei als unwahrscheinlich.
    Er schätzte Miss Griffith nicht als a) typische Giftmörderin, b) in ihren Arbeitgeber verliebt, c) schwer geistesgestört oder d) nachtragend ein. Damit schied Miss Griffith als Täterin aus, nicht aber als verlässliche Informationsquelle.
    Inspektor Neele schaute zum Telefon. Jeden Augenblick erwartete er einen Anruf vom St. Jude’s Hospital.
    Es war zwar möglich, dass Mr Fortescues plötzliche Erkrankung natürliche Ursachen hatte – aber Dr. Isaacs von Bethnal Green glaubte das nicht, und Sir Edwin Sandeman aus der Harley Street glaubte das auch nicht.
    Inspektor Neele drückte den in bequemer Nähe zu seiner linken Hand angebrachten Summknopf und verlangte Mr Fortescues Privatsekretärin.
    Miss Grosvenor hatte ein wenig Haltung wiedergefunden, aber nicht viel. Als sie eintrat, wirkte sie ängstlich, in ihren Bewegungen war nichts Schwanengleiches und sie sagte sofort abwehrend: »Ich hab’s nicht getan!«
    Inspektor Neele murmelte höflich: »Nicht?«
    Er deutete auf den Stuhl, auf dem Miss Grosvenor gewöhnlich Platz nahm, wenn sie zum Diktat gebeten wurde. Sie setzte sich nur zögernd und sah ängstlich zum Inspektor auf. Inspektor Neele, der im Geist die Themen »Verführung«, »Erpressung« und »Platinblonde vor Gericht« durchspielte, schaute beruhigend und beinahe ein wenig dümmlich zurück.
    »Es war nichts Schlechtes in dem Tee«, sagte Miss Grosvenor. »Das kann nicht sein.«
    »Ich verstehe«, sagte Inspektor Neele. »Name und Adresse, bitte.«
    »Grosvenor, Irene Grosvenor.«
    »Wie buchstabiert sich das?«
    »Oh – wie der Platz, Grosvenor Square.«
    »Und die Adresse?«
    »14 Rushmoor Road, Muswell Hill.«
    Inspektor Neele nickte zufrieden.
    Keine Verführung, sagte er sich, kein Liebesnest. Anständiges Elternhaus. Keine Erpressung.
    Und wieder hatte sich eine gute Folge von Theorien in nichts aufgelöst.
    »Sie haben also den Tee zubereitet?«, fragte er freundlich.
    »Nun, das musste ich wohl. Ich wollte sagen, das tu ich immer.«
    In aller Ruhe ließ sich Inspektor Neele durch die Einzelheiten des morgendlichen Teerituals führen. Tasse, Untertasse und Teekanne waren bereits verpackt und den zuständigen Stellen zur Analyse zugestellt worden. Jetzt erfuhr Inspektor Neele, dass Irene Grosvenor – und nur Irene Grosvenor – diese Tasse, Untertasse und Teekanne in der Hand gehabt hatte. Der Kessel war zur Zubereitung des Bürotees benützt und von Miss Grosvenor aus dem Hahn im Waschraum nachgefüllt worden.
    »Und der Tee selbst?«
    »Es war Mr Fortescues eigener Tee, eine besondere chinesische Mischung. Er steht auf dem Regal in meinem Zimmer nebenan.«
    Inspektor Neele nickte. Er erkundigte sich nach dem Zucker und erfuhr, dass Mr Fortescue keinen Zucker nahm.
    Das Telefon klingelte. Inspektor Neele nahm den Hörer ab. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich ein wenig.
    »St. Jude’s?«
    Er entließ Miss Grosvenor mit einem Nicken.
    »Das ist im Augenblick alles. Danke, Miss Grosvenor.«
    Miss Grosvenor eilte aus dem Raum.
    Während Inspektor Neele der dünnen, sachlichen Stimme aus dem St. Jude’s Hospital aufmerksam zuhörte, machte er ein paar geheimnisvolle Bleistiftzeichen auf die Ecke der Schreibtischunterlage vor ihm.
    »Vor fünf Minuten gestorben, sagen Sie?« Er blickte auf seine Armbanduhr. Zwölf Uhr dreiundvierzig, schrieb er auf das Löschblatt.
    Die gleichmütige Stimme teilte ihm mit, dass Dr. Bernsdorff gern selbst noch mit Inspektor Neele sprechen wollte.
    Inspektor Neele sagte: »Schön, stellen Sie ihn durch«, was den Besitzer der Stimme, der bereits eine gewisse Ehrerbietung in seinem offiziellen Tonfall zugelassen hatte, doch einigermaßen schockierte. Dann war nur Klicken, Summen und weit entferntes,
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