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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen
Autoren: Ueberreuter
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nicht bewältigen konnte. Dies war das Experiment, in dem ihm zum ersten Mal die vollständige und vollkommeneUmwandlung eines lebendigen Menschen in einen Automaten gelang – und sein Schüler, von Grauen und Abscheu geschüttelt, lief spornstreichs zum Erzmagier und beichtete, was sich kurz zuvor mit seiner Hilfe im Laboratorium seines Mentors zugetragen hatte.
    Und nun standen sie beide hier vor dem Tribunal, und der junge Magier musste miterleben, wie sein Mentor angeklagt wurde und wie sein Verteidiger stammelte und stotterte und hilflos auf die lange ehrenvolle Tätigkeit im Kreis des Akademischen Rates verwies, was allerdings keine der steinernen Mienen rundumher erweichen konnte.
    Das Urteil fiel erwartungsgemäß hart aus. Der angeklagte Zauberer wurde ausgestoßen aus der Akademie, all seiner Ehren und Ämter entkleidet und des Landes verwiesen. Sein Lehrling wurde dazu verurteilt, ein Jahr lang den großen Hof der Akademie zu fegen, aber ansonsten kam er mit einer mündlichen Rüge davon. Ihm wurde zugutegehalten, dass er zwar bei dem schändlichen Werk assistiert, aber darauf sofortige Reue gezeigt und die Tat seines Mentors dem Akademischen Rat gemeldet hatte.
    Der junge Zauberer begleitete seinen Lehrer zum Portal und sah ihm nach, wie er davonschritt, nichts weiter bei sich als einen kleinen Reisesack mit Habseligkeiten und ein paar Kleidungsstücken. Er hatte seinen jungen Schüler, der ihn verraten hatte, keines Blickes und keines Wortes mehr gewürdigt, bis die Tore der Akademie sichzwischen ihnen beiden zu schließen begannen. Da traf sein brennender Blick auf den des jungen Zauberers und er zischte zwei drohende Worte: »Hüte dich!«

1
    O wunderbar, wunderbar und höchst wunderbarlich wunderbar
und nochmals wunderbar und über alle Wunder weg.
    Wie es euch gefällt
    »Und wenn uns jemand entdeckt?«, flüsterte sie.
    Der junge Mann griff nach ihrer Hand, als hätte er Angst, sie würde ihm davonlaufen. »Ich bin doch bei dir«, sagte er.
    Sie musste lachen. »Spiel dich nicht so auf, Augustin. Wenn deine Mutter uns zusammen im Thronsaal erwischt, setzt es ein Riesendonnerwetter!« Sie sah ihn aus verliebten Augen an, doch er schenkte ihr keine Aufmerksamkeit, sondern drückte leise die Türklinke herunter und zog seine Begleiterin durch den Türspalt.
    »Puh«, machte sie. »Hier riecht es aber muffig.«
    »Pscht.« Augustin schloss die Tür und schaute sich zufrieden um. »Perfekt. Hier wird uns niemand stören. Komm, Pippa, hilf mir mal mit den Stühlen. Wir müssen ein bisschen Platz schaffen.«
    Das Mädchen packte schweigend mit an. Nach einer Weile sagte sie: »Was bewahren die hier denn alles auf? Schau mal, Augustin.« Sie hatte eine Truhe geöffnet und wühlte in Kleidern aus Samt und Seide, zog sie aus der Truhe und breitete sie selbstvergessen über Stühle und den Boden aus. »Pippa!«, zischte der junge Mann. »Deswegensind wir nicht hier!« Er packte die Kleider und warf sie wieder in die Truhe.
    »Nein«, seufzte Pippa enttäuscht. »Deswegen sind wir nicht hier.« Sie warf ihrem Begleiter unter gesenkten Lidern hervor einen Blick zu, aus dem er hätte lesen können, was sie sich am allermeisten wünschte – wenn er denn hingeschaut und es dann auch noch begriffen hätte, der Dummkopf. »Wir sind ganz allein«, sagte sie. »Augustin! Wir sind vollkommen alleine, ungestört und unter uns!«
    »Ja, ist das nicht großartig?« Der junge Mann wischte mit einer Samtjacke, die er aus der Truhe gezogen hatte, den staubigen Boden sauber. »Jetzt kann es losgehen, Pippa.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür hinter ihnen.
    *
    »Es gibt keine Mäuse im Thronsaal«, sagte die Königin energisch. Der König wollte protestieren, aber er fing ihren Blick auf, schluckte seinen Widerspruch herunter und brummelte nur ein wenig vor sich hin. Schließlich hatte er es beim Eintreten ganz deutlich gehört: ein Rascheln und Huschen, Wispern und Knispern, erschrecktes Quietschen und flüsterleises Trappeln. Aber er wollte sich nicht mit seiner Gemahlin streiten – allein schon deswegen, weil er solche Dispute in der Regel verlor.
    Er warf seinem Hofzauberer einen Hilfe suchenden Blick zu, aber Laurentio starrte in die Luft und zwirbelteeine Strähne seines dunkelroten Haars um den Finger. »Mäuse?«, fragte er geistesabwesend.
    »Nein, keine Mäuse«, erwiderte die Königin scharf. Sie zog die schwere Samtportiere des mittleren Fensters auf, und strahlender Sonnenschein vertrieb die
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