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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen
Autoren: Ellis Peters
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war lange nicht mehr in dieser Gegend. Zweifellos will er uns noch einmal genau mustern, um sich zu vergewissern, daß seine Verteidigungslinien halten.«
    »Ihr müßt nach Winchester?« fragte Cadfael erstaunt. »Ihr werdet nicht rechtzeitig dort eintreffen.«
    »Doch, das werden wir. Wir haben noch vier Tage, und der Bote sagte, im Süden habe es getaut, und die Straßen seien frei. Ich werde morgen aufbrechen.«
    »Dann müssen Aline und Euer Junge zu Weihnachten auf Euch verzichten! Und Giles wird ohne Euch seinen dritten Geburtstag feiern!« Hughs Sohn war ein Weihnachtskind. Er war in einem schlimmen Winter, bei Frost und Schnee und beißenden Stürmen, zur Welt gekommen. Cadfael war sein Pate und sein ergebenster Bewunderer.
    »Ach, Stephen wird uns nicht lange aufhalten«, sagte Hugh zuversichtlich. »Er braucht uns dort, wo er uns einsetzte, damit wir für ihn die Steuereinnahmen überwachen. Ich werde bis zum Ende des Jahres zurück sein, wenn alles gut verläuft. Aber Aline wäre froh, wenn Ihr sie ein-oder zweimal besuchen könntet, während ich fort bin. Der Vater Abt wird es Euch nicht verübeln, wenn Ihr Euch hin und wieder einmal frei nehmt, und dieser lange junge Bursche – Winfrid, nicht wahr? –, der kommt inzwischen gut genug mit den Salben und Arzneien zurecht, um für ein oder zwei Stunden sich selbst überlassen zu bleiben.«
    »Ich will mich gern um Eure Liebsten daheim kümmern«, stimmte Cadfael aus ganzem Herzen zu, »solange Ihr bei Hofe seid. Aber wir werden Euch vermissen. Was für eine Wendung!
    Fünf Jahre dauert es nun, und keine Seite hat einen Vorteil errungen. Im neuen Jahr wird sicherlich alles wieder von vorn beginnen. All diese Mühen und diese Verschwendung, und nichts ist gewonnen.«
    »Oh, doch, etwas hat sich verändert!« Hugh gab ein bellendes Lachen von sich. »Ein neuer Bewerber auf den Thron ist aufgetaucht, Cadfael. Geoffrey konnte nicht mehr als eine Handvoll Ritter entbehren und seiner Frau zu Hilfe schicken, aber er hat ihr einen gesandt, von dem er sich anscheinend leichter trennen kann. Entweder das, oder er kennt Stephen gut genug, um zu wissen, wie weit er gehen kann. Er schickte ihren Sohn zu seinem Onkel Robert, um zu sehen, ob die Engländer vielleicht lieber ihm als seiner Mutter folgen. Henry Plantagenet, neun Jahre alt – oder ist er schon zehn? Älter auf keinen Fall.
    Robert brachte ihn zu ihr nach Wallingford. Ich vermute, der Junge ist inzwischen in sicherer Entfernung in Bristol oder Gloucester. Aber selbst wenn Stephen ihn in die Finger bekommt, was könnte er mit ihm tun, außer ihn auf eigene Kosten in ein Schiff zu setzen und ihn gut bewacht nach Frankreich zurückzuschicken?«
    »Was erzählt Ihr mir da?« Cadfael hatte erstaunt und neugierig die Augen aufgerissen. »Also ist ein neuer Stern am Horizont aufgestiegen. Und so jung ist er! Wie es scheint, wird wenigstens eine ein gesegnetes Weihnachtsfest haben, da sie die Freiheit zurückgewonnen hat und ihren Sohn in den Armen halten kann. Seine Ankunft wird ihr zweifellos Mut machen. Ich bezweifle aber, daß er darüber hinaus viel für ihre Sache tun kann.«
    »Noch nicht!« erwiderte Hugh in prophetischer Voraussicht.
    »Wir müssen abwarten und sehen, wie er sich macht. Wenn er den Mut seiner Mutter und Geoffreys Verstand in sich hat, dann könnte er dem König in ein paar Jahren einigen Ärger bereiten.
    Wir sollten die Zeit nutzen, die wir haben, und dafür sorgen, daß der Junge nach Anjou zurückkehrt und dort bleibt. Das beste wäre es, wenn er seine Mutter gleich mitnimmt. Ich wünschte nur«, sagte Hugh, während er sich einen Ruck gab und mit einem Seufzen aufstand, »daß Stephens Sohn hält, was er verspricht, denn dann brauchen wir den Sprößling der Kaiserin nicht zu fürchten.« Er schüttelte seine Zweifel mit einem ungeduldigen Achselzucken ab. »Ich muß fort, mich auf die Reise vorbereiten. Wir werden im ersten Tageslicht aufbrechen.«
    Cadfael stellte den abkühlenden Topf auf den Boden und ging mit seinem Freund in den Kräutergarten hinaus, der still von seinen Mauern eingeschlossen lag, die kleinen, ordentlichen Beete unter tiefem Schnee gemütlich den Frost durchschlafend. Als sie auf den Weg traten, der die überfrorenen Teiche umrundete, konnten sie in der Ferne, hinter der glitzernden Fläche und den großen Gärten an der Nordseite, die lange Schräge des Dachs des Gästehauses sehen, das den Abflußgraben überragte. Zwei dick vermummte Gestalten arbeiteten an
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