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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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erlösen sie von ihrem Elend, oder Sie bitten sie, Sie zu heiraten. Irgendwann muss ich nachts auch mal wieder schlafen können.“
    Ich bin Fielda nachgegangen, und einen Monat später haben wir geheiratet.
    Die stechende Hitze des Augustmorgens spüre ich bereits auf der Haut, während ich in meinem Bett liege. Ich drehe mich um, finde Fieldas Wange in der Dunkelheit und küsse sie. Ich schleiche mich aus dem Bett und gehe aus dem Zimmer. An Petras Tür halte ich kurz inne. Sie steht ein wenig offen, und ich kann das Summen des Ventilators hören. Sanft drücke ich die Tür auf und betrete das Zimmer; ein magischer Ort so voll mit den Launen eines kleinen Mädchens, dass es mich immer wieder staunen lässt. Die sorgfältig arrangierte Sammlung von Tannenzapfen, Eicheln, Blättern, Federn und Steinen, alle auf unserem Grundstück am Rande der Willow Creek Woods ausgegraben. Die Puppen, Stoffhunde und Teddybären, liebevoll unter Bettdecken aus Waschlappen gebettet und um ihre Schlafmulde platziert. Der Geruch nach kleinem Mädchen, eine Mischung aus Lavendelshampoo, grünem Gras und Schweiß, der nichts als die Enzyme der Unschuld enthält, überwältigt mich jedes Mal, wenn ich die Türschwelle übertrete. Meine Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit, und ich sehe, dass Petra nicht in ihrem Bett liegt. Ich mache mir keine Sorgen; sie hat öfter Phasen, in denen sie nicht schlafen kann und hinunter ins Wohnzimmer geht, um ein wenig fernzusehen.
    Ich gehe ebenfalls nach unten, aber sehr schnell weiß ich, dass Petra nicht fernsieht. Das Haus ist still, keine fremden Stimmen, kein falsches Lachen. Schnell gehe ich durch jeden Raum, mache die Lichter an; das Wohnzimmer – keine Petra. Esszimmer, Küche, Bad, mein Büro – keine Petra. Zurück durch die Küche in den Keller – keine Petra. Ich renne nach oben und wecke Fielda.
    „Sie ist nicht in ihrem Bett!“, keuche ich.
    Fielda springt auf und wiederholt den Weg, den ich gerade gegangen bin – keine Petra. Ich renne aus der Hintertür und umrunde das Haus ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Keine Petra. Fielda und ich treffen uns in der Küche, und wir schauen einander hilflos an. Fielda unterdrückt ein Stöhnen und wählt die Nummer der Polizei.
    Schnell ziehen wir uns an, um vor Deputy Sheriff Louis einigermaßen präsentabel auszusehen. Fielda läuft noch einmal durch jeden Raum, auf der Suche nach Petra, schaut in Schränke und unter die Treppe. „Vielleicht ist sie zu Calli hinübergegangen“, sagt sie.
    „So früh am Morgen?“, frage ich. „Warum sollte sie das tun? Vielleicht war ihr zu warm, sie ist zum Abkühlen nach draußen und hat die Zeit vergessen“, überlege ich weiter. „Setz dich hin, du machst mich nervös! Sie ist nicht im Haus!“ Ich werde lauter, als ich sollte. Fieldas Miene verdüstert sich, sie sackt in sich zusammen, und ich gehe zu ihr. „Es tut mir leid“, flüstere ich, auch wenn ihr ewiges Herumgerenne mich wirklich nervös macht. „Lass uns schon mal Kaffee für den Sheriff aufsetzen.“
    „Kaffee? Kaffee?“ Fieldas Stimme ist schrill, sie schaut mich ungläubig an. „Lass uns ein bisschen Kaffee aufbrühen, lass uns hinsetzen und in Ruhe besprechen, wohin unsere Tochter verschwunden ist? Soll ich dem Kerl etwa auch noch Frühstück vorsetzen? Beidseitig gebratene Spiegeleier? Oder vielleicht Waffeln? Martin, unser Kind ist verschwunden! Mitten in der Nacht einfach verschwunden!“ Ihr Ausbruch endet in einem Wimmern, und ich tätschle ihr den Rücken. Ich bin ihr kein Trost, das weiß ich.
    An der Vordertür klopft es. Wir gehen beide hin und stehen Deputy Sheriff Louis gegenüber, groß und schlank, die blonden Haare fallen ihm vor die ernsten blauen Augen. Wir bitten ihn in unser Haus, diesen Mann, der beinah halb so alt ist wie ich, näher an Fieldas Alter, und setzen ihn auf unser Sofa.
    „Wann haben Sie Petra das letzte Mal gesehen?“, fragt er uns. Ich greife nach Fieldas Hand und erzähle ihm, was wir wissen.

Antonia
    Ich werde von einem sanften Grollen aus dem Schlaf gehoben, das ich erst für ein Gewitter halte, und ich lächle mit geschlossenen Augen. Ein Unwetter mit kalten, dicken Regentropfen. Ich denke, dass ich vielleicht Calli und Ben wecken sollte. Sie lieben es, im Regen herumzustapfen, den trockenen, heißen Sommer abzuwaschen, und sei es nur für ein paar Augenblicke. Ich strecke meine Hand nach Griffs Bettseite aus. Sie ist leer und kühler als meine. Es ist Donnerstag, der Angelausflug.
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