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Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett
Autoren: Unknown
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Morgenlicht, zog er mich an sich und sein Mund und sein ganzer sehniger Körper ergriffen mich, wie Feuer einen Papierfetzen verzehrt. Ich glaube, es war reiner Zufall, daß er mich nicht mitten auf der Straße auszog.
    Es war, als käme ich niemals richtig mit in dieser Nacht. Im Bett herrschte er selbstverständlich, und es glückte ihm, eine sonderbare Freude und einen Gehorsamsinstinkt in mir zu wecken. Er gebar eine Art von Zuversicht in mir. Überzeugt davon, daß ich bei ihm den unverzeihlichen Taktfehlern, dem verdorbenen Rhythmus, entgehen würde, erlebte ich seine Stöße, Stöße der Freude, schwebende, fliegende, leicht, schnell, leichter, schneller. Zärtlichkeit und Zärtlichkeitsbedürfnis gab es da, animalische Tiefe, die uns dem Leben nahebrachte, dem Wunder, der Schönheit.
    Die Lust, die er in mir geweckt hatte, wurde nur für Minuten gestillt. Gleich danach wollte ich ihn wieder in mir haben, ihm so nahe wie möglich sein. Das war das einzige, was Linderung brachte, das einzige, das normal erschien. Sobald er in mich kam, strömte eine Stärke und Süße aus, vibrierte durch Nerven, Haut, Glieder in die Zehen, Fingerspitzen, das Zwerchfell, den Schlund... So einfache Belohnung, so kostbare Belohnung.
    Über mir und um mich hörte ich seine Stimme: »Give it to me! Give it to me! The whole!« und sein Lachen. So wie die Gezeiten mit nachlässiger Kraft heranrollen, bewegte sich sein heißes Lachen im Zimmer. Ich kann mich wahnsinnig sehnen nach seinem Lachen.
    Die Nerven waren so beschäftigt mit ihrem Glück, daß ich nicht weiß, ob die Körper sich leicht oder schwer, stark oder schwach bewegten.
    Auf einmal schlief er. Als gäbe es für ihn nur diese beiden Alternativen, Bewegung oder Schlaf. Sein Atem ging weich, wie wenn eine Katze atmet. Die ganze Zeit lagen wir dicht beieinander, Hand in Hand, Schenkel an Schenkel, seine Arme umschlangen mich ganz, mein Gesicht lag an seinem Hals, und der Schlaf wurde noch zärtlicher als die wachen Umarmungen.
    »Was für schöne Füße du hast«, sagte er am Morgen. Ich fand, er besaß den schönsten Körper, den ich jemals gesehen hatte. Er erzählte von seinem Bruder und seinen Schwestern in Westindien. Sie waren alle schwarz. »Deine Haut gefällt mir«, setzte er seinen Gedankengang fort und strich mit seinen gelbbraunen Händen über meinen weißen Bauch. Wie ein überglückliches, seliges Kind sog ich seine reiche Wärme auf.
    Ich weiß nicht, wie er angezogen war. Das habe ich sicher nie gesehen. Ich sah nur ihn. Sonst sind Neger verrückt auf Kleider. Selbst davon wird man mit der Zeit bezaubert. Ich liebe es, im Bett zu liegen und zuzusehen, wenn sie sich anziehen. Erst steht ein schöner, langgestreckter, gelbbrauner oder blauschwarzer Körper auf — du verstehst wohl, daß ich versuche von anderen zu erzählen, um nicht an ihn erinnert zu werden — die Schultern und Arme sind immer muskulös, die Taille lang, das Gesäß klein und hart und die Beine sehnig. Fertig angezogen, gehen sie wie kleine Puppen umher, einmal in einem engen, grauen Anzug mit schmalen Aufschlägen und verdeckten Knöpfen, einmal in einem weißen oder roten maßgeschneiderten Lederjackett, ja, ich habe sogar einen mit einem Kalblederjackett gehabt. Oder ein graugrüner Samtanzug, was hältst du davon? Große Neger in hellbraunen Jacketts mit Schulterklappen sehen aufreizend sauber und hübsch aus, besonders, wenn sie auf die Idee kommen, den schwarzblauen Ton der Haut hervorzuheben und deshalb einen blauen Schlips statt des roten tragen. Oh, sie sind so herrlich, so herrlich, so herrlich...
    Zurück zu ihm. Etwas von meinem Innersten war hier dabeigewesen, etwas Hingebendes, Emporschwingendes, Abwärtsstoßendes, ich weiß nicht, was es war.
    Während er sich wusch und ich allein im Bett lag, mußte ich daran denken, wie ich meine lyrischen Freundinnen ein bißchen zynisch gefragt hatte: »Welche Farbe hat denn ihr Sperma?« Und ich merkte, daß ich jetzt lächelte, wie meine Freundinnen lächelten und mit dem gleichen Gefühl der Verzauberung, das auch ich nun kannte, geantwortet hatten: »Das ist das Fantastischste von allem. Es ist hell-lila.«
    Wenn sie gegangen sind, liegt man da wie in einem Fliederbett...
    Was ich in diesem Augenblick empfand, erinnerte mich an das wahnsinnige, chronische Entzücken, das mich in jenem Sommer ergriff, als ich lernte unter Wasser zu schwimmen. Alles über Wasser war bereits alt und gewohnt, aber da unten wurde es geheimnisvoll,
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