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Das Fest

Titel: Das Fest
Autoren: John Grisham
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verblüfften ihn. »Sie könnten eine Kreuzfahrt gebrauchen.«
    »Woher wissen Sie das?«, murmelte er. Ihre Hand schnellte vor, griff nach seiner und schüttelte sie. Dann führte Biff ihn zu einem breiten Schreibtisch. Sie bot ihm einen Platz auf der einen Seite an und ließ sich ihm gegenüber nieder. Luther bemerkte, dass sie lange, gebräunte Beine hatte. Strandbeine.
    »Der Dezember ist der beste Monat für eine Kreuzfahrt«, begann sie, und Luther war bereits verloren. Eine Flut von Prospekten brach über ihn herein. Biff breitete sie unter seinem verträumten Blick auf dem Schreibtisch aus.
    »Sie arbeiten hier im Gebäude?«, erkundigte sie sich und tastete sich damit unauffällig an die Finanzfrage heran.
    »Wiley & Beck, sechster Stock«, antwortete Luther, ohne die Aigen von den schwimmenden Palästen und den endlosen Stränden abzuwenden.
    »Die Kautionsbürgen?«, fragte sie.
    Luther zuckte kaum merklich zusammen. »Nein. Die Steuerberater und Buchhalter.«
    »Entschuldigung«, sagte sie und hätte sich in den Hintern beißen können. Die blasse Haut, die dunklen Ringe unter den Augen, das übliche blaue Oxfordhemd mit Button-down-Kragen und die konservative Krawatte — sie hätte es besser wissen müssen. Na ja, egal. Sie kramte die Hochglanzprospekte der nächsthöheren Preisstufe hervor. »Ich glaube, aus Ihrer Firma kommen nicht viele Kunden hierher.«
    »Urlaub ist bei uns ein Fremdwort. Zu viel Arbeit. Mir gefällt dieses Schiff hier gut.«
    »Eine ausgezeichnete Wahl.«
    Sie einigten sich auf die Island Princess , einen funkelnagelneuen Luxusliner mit Kabinen für dreitausend Passagiere, vier Swimmingpools, drei Kasinos, Büffets und Galadiners nonstop, acht Anlaufhäfen in der Karibik und so weiter und so weiter. Mit einem Stapel von Prospekten unter dem Arm huschte Luther zurück in sein Büro.
    Der Hinterhalt war sorgfältig geplant. Zuerst einmal machte er Überstunden, was durchaus nicht ungewöhnlich war, aber auf jeden Fall den Weg für den Abend bereitete. Auch das Wetter spielte mit, denn es zeigte sich immer noch trostlos. Bei grauem, nebelverhangenem Himmel war es schwer, in festliche Stimmung zu kommen — und sehr viel leichter, von zehn luxuriösen Tagen in der Sonne zu träumen.
    Falls Nora sich zur Abwechslung mal keine Sorgen um Blair machte, konnte er das schnell ändern. Er würde einfach eine schreckliche Meldung über einen neuen Virus erwähnen oder vielleicht ein Massaker in einem kolumbianischen Dorf, und schon wäre Nora nicht mehr zu bremsen. Es würde sie von den Freuden der Weihnachtszeit ablenken. Ohne Blair wird es nicht so sein wie sonst, oder?
    Warum nehmen wir dieses Jahr nicht eine Auszeit? Verdrücken uns? Flüchten. Gönnen uns mal was.
    Doch natürlich war Nora von allein mit ihren Gedanken im Dschungel. Sie umarmte Luther zur Begrüßung, lächelte und versuchte zu verbergen, dass sie geweint hatte. Ihr Tag war einigermaßen gut verlaufen. Sie hatte das Mittagessen ihres Damenkränzchens überlebt und danach zwei Stunden in der Kinderklinik verbracht — eine ihrer vielen zermürbenden sozialen Aktivitäten.
    Während sie die Pasta aufwärmte, legte Luther verstohlen eine CD mit Reggaemusik ein, drückte aber noch nicht die Wiedergabetaste. Timing war alles.
    Sie unterhielten sich über Blair, und es dauerte nicht lange, bis Nora ganz von allein damit anfing. »Dieses Jahr wird zu Weihnachten alles furchtbar anders sein, nicht wahr, Luther?«
    »Ja, da hast du Recht«, erwiderte er mit traurigem Tonfall und schluckte. »Nichts wird so sein wie sonst.«
    »Zum ersten Mal seit dreiundzwanzig Jahren ist sie nicht hier.«
    »Das könnte ziemlich deprimierend werden. Zu Weihnachten haben doch viele Leute Depressionen.« Luther schlang hastig eine Portion Pasta hinunter, dann hielt er seine Gabel ganz still.
    »Am liebsten würde ich die ganze Sache einfach vergessen«, sagte Nora, wobei ihre Stimme immer leiser wurde.
    Luther zuckte zusammen und legte den Kopf schief.
    »Was ist denn?«, fragte sie.
    »Nun!«, rief er theatralisch und schob seinen Teller von sich. »Jetzt, wo du es erwähnst — es gibt da etwas, worüber ich mit dir reden möchte.«
    »Iss erst zu Ende.«
    »Ich bin fertig«, verkündete er und sprang auf. Seine Aktentasche stand nur wenige Meter entfernt, und er stürzte sich auf sie.
    »Luther, was machst du da?«
    »Warte einen Augenblick.«
    Er kehrte mit den Händen voller Unterlagen zum Tisch zurück und blieb vor Nora stehen. »Ich hatte
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