Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Fest

Titel: Das Fest
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
Er wollte einfach nur nach Hause, etwas Trockenes anziehen, sich vor den Kamin setzen und die Zeitung lesen.
    Als es nur noch drei Kilometer bis zu ihrem Haus waren, verkündete Nora: »Ich brauche noch ein paar Sachen aus dem Supermarkt.«
    »Es regnet«, erwiderte Luther.
    »Ich brauche sie trotzdem.«
    »Kann das nicht warten?«
    »Du kannst ja im Auto bleiben. Es dauert nur eine Minute. Fahr zu Chip's. Die haben noch geöffnet.«
    Also machte Luther sich auf den Weg zu Chip's, einem Laden, den er nicht nur wegen seiner unverschämten Preise und hochnäsigen Angestellten hasste, sondern auch wegen seiner unmöglichen Lage. Natürlich schüttete es immer noch wie aus Eimern. Und natürlich suchte sich Nora keinen Supermarkt wie Kroger aus, wo man problemlos parken und eben kurz hineinspringen konnte. Nein, sie wollte unbedingt zu Chip's, wo man parkte und dann erst einmal auf Wanderschaft gehen musste.
    Manchmal klappte allerdings noch nicht einmal das. Der Parkplatz war voll. Selbst in den Feuerwehrzufahrten wimmelte es von Autos. Nachdem Luther zehn Minuten lang umsonst gesucht hatte, sagte Nora frustriert: »Lass mich einfach am Bordstein raus.«
    Er bog auf den Parkplatz eines Schnellrestaurants und brummte: »Was genau brauchst du?«
    »Ich kann selbst gehen«, sagte sie mit gespieltem Protest in der Stimme. Dabei wussten beide ganz genau, dass es am Ende Luther sein würde, der durch den Regen marschierte.
    »Was brauchst du?«
    »Nur weiße Kuvertüre und ein Pfund Pistazien«, sagte sie erleichtert.
    »Das ist alles?«
    »Ja, aber nimm die Kuvertüre von Logan's, in der Ein-Pfund-Packung, und die Pistazien von Lance Brothers.«
    »Und das kann nicht noch einen Tag warten?«
    »Nein, Luther, das kann nicht warten. Ich muss den Nachtisch für das Essen morgen zubereiten. Wenn du nicht gehen willst, dann halt doch einfach den Mund und lass mich den Einkauf erledigen.«
    Er knallte die Wagentür zu. Sein dritter Schritt führte ihn geradewegs in ein Schlagloch. Kaltes Wasser umspülte seinen rechten Knöchel und sickerte schnell bis in den Schuh hinein. Eine Sekunde lang blieb Luther wie angewurzelt stehen und sog scharf die Luft ein, dann ging er auf Zehenspitzen davon. Verzweifelt versuchte er, weitere Pfützen rechtzeitig zu erkennen und sich gleichzeitig durch den Verkehr zu schlängeln.
    Chip's wurde ganz nach dem Motto »niedrige Pacht und hohe Preise« geführt. Der Laden befand sich in einer Seitenstraße, wo man ihn zudem noch ausgesprochen leicht übersehen konnte. Die Weinhandlung direkt nebenan wurde von einem Europäer geführt, der behauptete, Franzose zu sein, Gerüchten zufolge jedoch aus Ungarn stammte. Sein Englisch war grauenvoll, aber den Wortschatz der Preistreiberei beherrschte er perfekt. Er hatte ihn wahrscheinlich von Chip's gelernt. Letzten Endes waren in diesem Stadtviertel alle Geschäfte für ihre Wucherpreise bekannt.
    Nichtsdestotrotz wimmelte es auch hier vor Menschen. Vor dem Käselädchen schwang ein weiterer Weihnachtsmann seine Glocke. »Rudolph the Red-Nosed Remdeer« plärrte es aus einem versteckten Lautsprecher über dem Bürgersteig vor Mutter Erde , einem Laden, in dem die Körnerfresser zweifellos immer noch Jesuslatschen trugen. Luther verabscheute den Laden und weigerte sich, auch nur einen Fuß hineinzusetzen. Aus welchem Grund Nora dort regelmäßig biodynamische Kräuter kaufte, war ihm immer noch ein Rätsel.
    Der alte Mexikaner vom Tabakgeschäft befestigte gerade fröhlich eine Lichterkette in seinem Schaufenster. Aus seinem Mundwinkel hing eine Pfeife, Rauch waberte um seinen Kopf, und hinter ihm stand ein mit künstlichem Schnee besprühter künstlicher Weihnachtsbaum.
    Für den späteren Abend war echter Schneefall angesagt. Deshalb hasteten die Kauflustigen noch eiliger durch die Geschäfte. Luthers rechte Socke war mittlerweile an seinem Knöchel festgefroren.
    In Chip's gab es keine Einkaufskörbe mehr. Nicht, dass Luther einen benötigt hätte, aber das war auf jeden Fall ein schlechtes Zeichen. Es bedeutete, dass der Laden gerammelt voll war.
    Erschwerend hinzu kamen die schmalen Gänge und eine Warenanordnung, die absolut keinen Sinn machte. Ganz egal, was auf der Einkaufsliste stand — man musste den Laden ein halbes Dutzend Mal von vorn bis hinten durchkämmen, um alles zu finden. Ein Angestellter mühte sich um die ansprechende Gestaltung einer Auslage mit Weihnachtsmännern aus Schokolade. Über der Fleischtheke forderte ein Schild alle »guten«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher