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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen
Autoren: dtv
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das Messer in die Scheide und gab es Olivia zurück. »Als ich klein war, hatte ich Biologieunterricht bei Omi. Sie zeigte mir zum Beispiel, wie man eine Ratte aufschnitt.«
    »Igitt.«
    »Nein, das war interessant«, sagte Erik lächelnd. Er warf den Fisch ins Wasser und blickte auf das alte Breitling-Chronometer an seinem Handgelenk. »Überlassen wir den Barsch den Möwen als Leckerbissen. Habt ihr eure Sachen schon gepackt?«
    |13| »Papa«, sagte Emil mit leicht drängendem Unterton. »Können wir nicht noch hierbleiben? Ein paar Tage?«
    Zärtlich fuhr Erik dem Jungen durchs gelockte, blonde Haar und schwieg. Emil erwartete auch gar keine Antwort auf seine Frage, die er ohnehin jedes Jahr am Ende ihres Finnlandurlaubs stellte. Erik wunderte sich kein bisschen darüberr, dass es Emil hier gefiel. Er selbst war als Kind nur selten in der Heimat seines Vaters gewesen, aber umso unvergesslicher waren die Aufenthalte für ihn bis heute. Die Flüge von Florida über London zum alten Flughafen von Helsinki hatten ewig gedauert, und das Finnland der Siebzigerjahre war ein spannender, mystischer Ort in unmittelbarer Nachbarschaft der Sowjetunion gewesen – und im Vergleich zu Amerika in allem hintendran. Der Unterschied zum Finnland der Gegenwart war frappierend.
    Die Kinder gingen zum Haus zurück, Erik blieb noch eine Weile am Ufer und schaute nachdenklich aufs Meer. Die Rückkehr nach England und in den Alltag kam wieder mal viel zu früh. Der Urlaub hatte seinen Zweck nicht erfüllt: Erik war innerlich nicht zur Ruhe gekommen, zu viele berufliche Projekte hatte er mit in den Urlaub genommen, die seine Energie aufgezehrt hatten. Er war Mitbegründer und Miteigentümer der Firma Gendo, einem erfolgreichen Biotechnologieunternehmen, das gerade in Verhandlungen mit China über das bedeutsamste Geschäft seiner Geschichte steckte.
    »Erik!«
    Katjas energische Stimme setzte Erik in Bewegung. Etwas widerwillig machte er sich auf den Weg zum Haus. Der Pfad, der stellenweise mit Kiefernnadeln übersät war, fühlte sich herrlich weich an unter den nackten Fußsohlen. Das Haus war ein Landhaus mit Mansardendach aus den zwanziger Jahren, aus Holz gebaut und in denkbar schlechtem Zustand. Sie hatten es sieben Jahre zuvor gekauft, in dem Jahr, in dem Emil geboren wurde. Mittlerweile hatten sie sogar schon mehrere Weihnachten hier verbracht, denn dank der drei Kachelöfen wurde es jetzt auch im Winter warm.
    |14| Auf der Veranda schnitt Katja gerade Olivia die Haare. Das Mädchen saß still auf einem Hocker, während die Schere klapperte und exakt geschnittenen blonden Flaum fallen ließ. Katjas Haare waren noch feucht, sie hatte sie mit einem violetten Handtuch zusammengebunden. Sie sah entspannt und attraktiv aus, aber ihr Kommandoton verdarb den Eindruck gleich wieder: »Hast du schon das Holz gehackt?«
    »Gleich.«
    »Ja, ja, ›gleich‹. Und dabei bleibt es dann wieder. Das Holz wird nass, die ganze Sägerei war umsonst, und im Winter . . .«
    »Ich habe gerade meinen Vater angerufen. Er war seltsam kurz angebunden.«
    Katjas Hände hielten einen Moment inne. Sie schaute Erik an.
    »Was meinst du damit? Gesundheitliche Probleme?«
    »Glaube ich nicht. Er klang so, als wollte er in Ruhe gelassen werden.«
    »Rolf mag es nicht, wenn man ihm nicht mehr zutraut, dass er alleine klarkommt. Aber es wäre höchste Zeit, dass er sich daran gewöhnt.«
    »Die ganze Reise hat etwas Merkwürdiges.«
    »Wieso? Hat er dir denn nichts davon erzählt?«
    »Angeblich war er bloß noch nie in Berlin und will sich die Stadt jetzt mal anschauen.«
    »Du machst dir zu viele Gedanken. Deine Mutter hat übrigens gerade angerufen. Sie hat die Blumen gegossen und nach der Post gesehen.«
    Erik seufzte. »Ich habe ihr doch gesagt, das ist nicht mehr nötig. Wir sind doch bald wieder da.«
    »Ingrid genießt es, zu uns kommen, wenn das Haus leer ist. Beziehungsweise wenn ich nicht zu Hause bin . . .«
    »Du redest hässlich über Omi«, sagte Olivia.
    »Aber nein. Ich sage nur die Wahrheit, und das ist nicht hässlich. Ingrid war auch in der Firma«, fuhr Katja fort, und es gelang ihr, dabei gleichgültig und vorwurfsvoll zugleich zu klingen. »Lass sie doch. Das stört keinen.«
    |15| Katja verkniff sich ungern jeden weiteren Kommentar zu diesem Thema und herrschte Erik stattdessen an: »Und wie wär’s jetzt vielleicht mal mit dem Holz?«
    »Ich muss erst noch schnell in Peking anrufen, bevor dort Feierabend ist.«
    Erik ging zum oberen Teil
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