Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten
Autoren: Christopher Pike
Vom Netzwerk:
Schlüssel um und nehme die Kette zurück. Seymour steht auf dem Absatz und starrt mich an. Er trägt noch immer dieselbe dicke Brille und ebenso entsetzliche Kleidung wie damals, als ich ihn in der High School kennengelernt habe. Sein Gesichtsausdruck verändert sich, als er mich anschaut, er wirkt unvermittelt äußerst beunruhigt. Es macht ihm Mühe zu sprechen.
»Es hat funktioniert«, keucht er.
Ich lächle und öffne die Tür endlich ganz. »Ja, es hat funktioniert. Jetzt bin ich wie du. Ich stehe nicht länger unter einem Fluch.«
Seymour schüttelt den Kopf, während er ins Haus tritt und ich die Tür hinter ihm schließe. Ich weiß, daß er mich auch als Vampirin mochte. Ja, er wollte sogar, daß ich auch ihn zu einem Vampir mache, daß ich seinen Körper und Geist durch die Verwandlung vergifte – ein Akt, den mir Krishna vor fünftausend Jahren strikt verboten hat. Seymour ist sichtlich aufgewühlt. Zu unruhig, um sich zu setzen, geht er im Zimmer auf und ab. In seinen Augen schimmern ungeweinte Tränen.
»Warum hast du es getan?« will er wissen. »Ich habe niemals geglaubt, daß du es tatsächlich vorhattest.«
Ich lächle immer noch und breite die Arme aus. »Aber du wußtest doch, daß ich es tun würde. Und ich wünsche mir, daß du dich mit mir freust.« Ich bedeute ihm, zu mir zu kommen. »Nimm mich in die Arme, und du wirst spüren, daß ich nicht länger in der Lage bin, dich praktisch zu zerdrücken.«
Er drückt mich, ein wenig widerwillig zwar, und plötzlich laufen Tränen über seine Wangen. Er muß sich abwenden, offenbar hat er Probleme, genug Luft zu bekommen. Natürlich verwirrt mich seine Reaktion zutiefst.
»Es ist vorbei«, sagt er und blickt dabei in Richtung Wand.
»Was ist vorbei?«
»Der Zauber.«
Meine Stimme klingt fest, als ich erwidere: »Vergiß nicht, daß nur Yakshas Blut zerstört worden ist. Kann sein, daß dir das nicht gefällt. Kann sein, daß damit dein Traum, eines Tages auch ein Vampir zu sein, beendet worden ist. Aber denk an die Welt, an alle Menschen: Ein Fluch ist von ihnen genommen worden. Und allein du und ich wissen, wie gefährlich nah die Welt am Abgrund gestanden hat.«
Seymour sieht mich an und schüttelt den Kopf. »Ich bin nicht deswegen so verstört, weil mein Traum nun niemals Wahrheit werden kann. Sicher wäre ich gern ein Vampir geworden. Aber welcher Achtzehnjährige wäre das nicht? Nein, was ich meine, ist, daß der Zauber zerstört ist. Und dieser Zauber warst du.«
Seine Worte verletzen mich. »Ich bin noch da. Ich bin immer noch Alisa.«
»Aber du bist nicht länger Sita. Die Welt hat sie gebraucht, um geheimnisvoll zu sein. Ich kannte dich schon, bevor ich dir begegnet bin, und das wußtest du. Jede Nacht habe ich dagesessen und meine Geschichten geschrieben. Geschichten, die von deiner Dunkelheit lebten.« Er läßt den Kopf sinken. »Jetzt ist die Welt leer. Und unbedeutend.«
Ich trete zu ihm und berühre seinen Arm. »Meine Gefühle für dich sind immer noch gleich. Sind sie unbedeutend? Um Himmels willen, Seymour, du sprichst, als wäre ich tot!«
Er ergreift meine Hand, aber es gelingt ihm nicht, mich dabei anzusehen. »Jetzt wirst auch du eines Tages sterben.«
»Alle, die geboren werden, müssen sterben«, zitiere ich Krishna. »Alle, die tot sind, werden wiedergeboren werden. Das ist die Natur der Dinge.«
Er beißt auf seine Unterlippe und starrt zu Boden. »Das läßt sich leicht sagen, aber es ist nicht leicht, es zu ertragen. Als wir uns begegnet sind, hatte ich AIDS.
Es war unvermeidlich, daß ich sterben mußte, und mein Tod ragte schwarz und drohend vor mir auf. Für mich war es wie ein Horrorfilm, in dem ich mich befand und der in Zeitlupe ablief. Es war allein dein Blut, das mich gerettet hat.« Er zögert und stellt dann die Frage: »Wie viele andere hätte es retten können?«
»Jetzt klingst du wie Arturo.«
»Er war ein brillanter Mann.«
»Er war ein gefährlicher Mann.«
Seymour zuckt mit den Schultern. »Du hast auf alles eine Antwort. Es macht keinen Sinn, sich darüber mit dir zu unterhalten.«
»Wieso nicht? Ich bin eine gute Zuhörerin. Aber du mußt auch mir zuhören. Du mußt mir eine Chance geben, meine Gefühle zu erklären. Ich bin so froh, daß das Experiment geglückt ist. Es bedeutet mir mehr, als du dir vorstellen kannst. Und ich bin glücklich, daß es keinen Weg zurück gibt.«
Er sucht meinen Blick. »Ist das wahr?«
»Du weißt, daß es wahr ist. Es gibt kein Vampirblut mehr auf dieser Welt, der Spuk
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher