Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Anzahl von Kirchtürmen erhob sich hinter diesem Bollwerk, unter ihnen besonders augenfällig die neueren Chortürme der Severinskirche und weiter landeinwärts die gewaltigen Türme von Sankt Pantaleon. Es folgten am Ufer Sankt Maria Lyskirchen, weiter hinten Sankt Georg am Waidmarkt, dann Sankt Maria im Kapitol, und danach Groß Sankt Martin, wo sie gleich anlegen würden. Und schließlich ein Stück voraus Sankt Maria ad gradus und gleich dahinter die Baustelle des neuen, noch turmlosen Doms mit dem erst jüngst fertiggestellten Kapellenkranz, über dem ein Lastkran in den Himmel ragte. Was die Errichtung neuer Kirchen anging, schien die Baulust der Kölner ungebrochen.
    »Es ist immer wieder beeindruckend, oder? Hunderte von Kirchen, in einer einzigen Stadt.« Der Fischhändler folgte Johanns Blicken. Seine Stimme klang stolz. »Unser heiliges Köln!«
    Johann lag eine sarkastische Erwiderung auf der Zunge, doch er zog es vor, nicht zu antworten. Der Händler schien es auch nicht zu erwarten, außerdem war er abgelenkt: Das Boot hatte die kleine Rheinvorinsel passiert, und der Bootsführer lenkte es auf Höhe von Groß Sankt Martin ans Ufer. Dort befand sich ein Holzgerüst, das die Anlegestellen in zwei Bereiche unterteilte. Die von Süden kommenden Oberländerschiffe hatten weniger Tiefgang und waren mit ihrer flachen, breiten Bauweise für den Niederrhein nur eingeschränkt geeignet, folglich mussten sie hier an dieser vom Rat der Stadt Köln vorgeschriebenen Stelle ihre Ladungen löschen. Rheinabwärts dagegen lagen die großen Schiffe mit kräftigem Rumpf und Takelage, viele davon seetüchtig. Für sie galt das Gleiche. Sollten die Waren, gleichviel aus welcher Richtung sie kamen, über Köln hinaus weiterbefördert werden, mussten die Händler sie jeweils auf andere Schiffe verfrachten – doch das durften sie erst, nachdem dem Kölner Stapelrecht Genüge getan war.
    Nicht ohne widerwillige Bewunderung hatte Johann von dieser Neuerung erfahren, die während seiner langjährigen Abwesenheit vom Erzbischof eingeführt worden war: Alles, was zu Lande oder zu Wasser über den Rhein an Köln vorbei transportiert werden sollte, musste in der Stadt abgeladen und den Kölner Bürgern und Händlern zum Kauf angeboten werden. Zu Bedingungen, die der Rat festgelegt hatte – natürlich zum Nutzen Kölns.
    Johann bedankte sich höflich bei dem Fischhändler und sprang an Land, bevor sich die herbeigerufenen Träger daranmachten, die Ladung von Bord zu holen. Hier war seine Hilfe nicht mehr gefragt, wie ihm der Händler erklärt hatte: Für jeden Handgriff beim Löschen und Abtransport der Waren standen städtische Arbeiter und Aufseher bereit. Ob Wein oder Kohle, Ziegel oder Holz, Fisch oder Tuch, Pelze oder Eisen – für alle Güter gab es eigene Zuständigkeiten mit streng getrennten Aufgaben. Kranmeister und Windenknechte, Röder und Schröder, Müdder und Zähler, Schütter und Aufhalter, Schürger und Abmesser, Akzisemeister und Fuhrwerker – an ihnen führte kein Weg vorbei, der Hafen unterstand an allen Ecken und Enden wachsamer Kontrolle.
    Nur für die stinkende Abfallhalde zwischen den beiden vor Johann liegenden Stadtpforten schien sich niemand verantwortlich zu fühlen. Allerlei Unrat türmte sich dort, angefangen von verwesendem Fisch über verrottetes Tauwerk und faulendem Kohl bis hin zu verschimmelten, sich zersetzenden Säcken, über deren Inhalt man nur noch rätseln konnte. Im Schatten der großen Pracht dieser Stadt musste man offensichtlich nach ihrem Unflat nicht lange suchen. Der Anblick erschien Johann symbolhaft, erinnerte er ihn doch mit einer solchen Intensität daran, was ihm im vergangenen Jahr bei seinem letzten Besuch in der Stadt widerfahren war, dass er am liebsten etwas mit der Faust zertrümmert hätte. Wäre er jetzt im Wald bei Veit gewesen, hätte er mit seiner Armbrust ein Zielschießen auf ein paar Pilze veranstaltet und sich dabei vorgestellt, den Erzbischof und seine Helfershelfer zu treffen, möglichst an ihren empfindlichsten Stellen.
    Immerhin hatte mittlerweile das lästige Nieseln aufgehört, sodass Johann seinen restlichen Weg trockenen Fußes hinter sich bringen konnte. Er wich einem rollenden Fuhrwerk aus und betrat die Stadt durch die Salzgassenpforte. Aus der nach links abzweigenden Gasse schallte das lärmende Gehämmer der Schmiedewerkstätten, und vom rechter Hand liegenden Fischmarkt drang der durchdringende Geruch von den Salmenbänken herüber, an denen die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher