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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Autoren: Charlotte Thomas
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sie den Fuß, der auf Bodenhöhe hinter der Brunnenwand hervorragte. Dort lag jemand vor der Hundehütte. Madlen presste beide Hände gegen ihr Herz, das mit einem Mal schmerzhaft hart pochte. Ihre Füße wollten ihr nicht gehorchen, doch sie zwang sie, dort hinzugehen, um den Brunnen herum, bis sie alles sehen konnte. Die hingestreckte, nackte Gestalt, rücklings über der des Hundes liegend. Den eingeschlagenen Schädel. Die blicklos zum Himmel starrenden Augen. Das viele Blut.
    Nein, dachte sie immer wieder. Nein, nein, nein. Das ist nicht er. Das ist nicht Konrad. Er ist nicht tot. Nicht Konrad. Er ist doch mein Leben!
    Mit jedem Herzschlag spürte sie dieses Leben aus sich hinausrinnen, während die Wirklichkeit sich in ihr Inneres fraß wie tödliches Gift, um ihr ganzes Wesen zu vernichten.
    Madlen öffnete den Mund zu einem gellenden Schrei.
    Elf Monate später, 3. Februar 1260
    Johann von Bergerhausen überlegte angesichts des anhaltend schlechten Wetters trübselig, dass er sich auch einen besseren Tag für sein Vorhaben hätte aussuchen können. Doch das hätte bedeutet, dass er sich hätte gedulden müssen, und danach stand ihm nach Lage der Dinge wahrhaftig nicht der Sinn. Veit hatte ihn überreden müssen, wenigstens zu Fuß aufzubrechen, sonst hätte Johann es noch fertiggebracht, sich auf sein Ross zu schwingen und in voller Montur in Köln einzureiten, was nur unliebsame Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hätte. Folglich hatte Johann das Pferd zurückgelassen, im Unterstand vor der elenden Höhle, die er mit Veit teilte. Er hatte sich ohne Schwert und Harnisch und in bester Landstreichermanier zu Fuß zur nächsten Ansiedlung begeben, nach Sürth, einem verschlafenen Nest am Rhein, wo es nicht viel mehr gab als ein paar Fischerhütten und ein Kloster von Zisterziensermönchen, die sich mit der Erzeugung ziemlich sauren Weins befassten.
    Immerhin schafften sie es, genügend davon nach Köln zu verkaufen, sodass sie regelmäßig Fässer auf Kähne luden, die flussabwärts fuhren. Im Winter fanden solche Fahrten naturgemäß seltener statt, doch auch dann kam der Verkehr – vorausgesetzt, es trieben nicht gerade Eisschollen auf dem Rhein – nicht gänzlich zum Erliegen: Anstelle von Wein wurde Fisch nach Köln befördert. Stockfisch, Salzfisch, frischer Fisch. Fisch gab es im Rhein immer mehr als genug, auch in kalten Monaten.
    Der Tag nach Mariä Lichtmess war indessen einer der weniger kalten in diesem ohnehin recht milden Winter, doch der fortwährende Nieselregen, den der Wind über das flache Deck des Schiffes in jeden Winkel trieb, machte die Reise zu einem höchst ungemütlichen Erlebnis. Als Gegenleistung für diese Mitfahrgelegenheit hatte Johann mehrere Dutzend stinkende, undichte Fässer an Bord geschleppt, sodass er nun roch wie ein Fischmenger. Auch die freundliche Einladung des Händlers, sich zu ihm unter die morsche Überdachung zu setzen, taugte nicht dazu, Johann aufzumuntern, denn dadurch sah er sich gezwungen, das stundenlange Klagen des Mannes über dessen diverse Krankheiten zu ertragen, angefangen bei Gliederreißen über Harndrang und Zahnweh bis hin zu unstillbarem Juckreiz in Gefilden, wohin niemals die Sonne schien. »Und Halsweh«, fügte der Fischhändler mit leidvoller Miene hinzu. »Das liegt an der Kälte. Dagegen hilft rein gar nichts, nicht mal Gebete zum heiligen Blasius.« Er deutete auf seinen Hals. »Heute ist es besonders schlimm, und dabei habe ich gleich nach dem Aufstehen lange gebetet. Weil doch heute der Namenstag ist.«
    »Meinen Glückwunsch«, sagte Johann geistesabwesend.
    »Oh, nein, nicht meiner. Der vom heiligen Blasius. Dem Schutzpatron aller Halskranken.« Der Mann hielt inne, weil er merkte, dass sein Fahrgast in Gedanken versunken war. »Was, sagtet Ihr gleich, habt Ihr in Köln für Geschäfte?«
    Johann, der bislang kein Wort über seine Geschäfte hatte verlauten lassen, gab eine unverfängliche Antwort. »Ich will alte Freunde besuchen.«
    Damit war die Neugier des Fischhändlers vorerst gestillt; er ging dazu über, in allen Einzelheiten seine zunehmende Sehschwäche zu beschreiben. Johann ließ den Redestrom an sich vorüberziehen, ebenso wie die Uferlandschaft des Rheins. Die Hügel des Siebengebirges im Rücken, sah er schließlich linker Hand vor sich das weite Halbrund der Stadt auftauchen. Ausgehend vom südlich gelegenen Bayenturm, zog sich die gewaltige Mauer am Ufer entlang, bis hin zum Kunibertsturm im Norden. Eine überwältigende
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