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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe
Autoren: Sven Hillenkamp
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dass die meisten Gefühle irrational seien, wischt sie vom Tisch. Sie fand auch die Männer, beide, irrational und unrealistisch. Sie sagt: »Es ist hoffnungslos. Ich projiziere alles Mögliche in einen Mann hinein, die Projektionen zerplatzen, und am Ende siegt, erneut, die Pornografie.«
    Die Menschen trennen sich jetzt nicht mehr, weil die Liebe sich in Schweigen, in Krieg verwandelt hätte; sondern weil sie unzufrieden sind. Weil »etwas fehlt«. Sie hatten anderes erwartet. Die Menschen trennen sich nicht mehr nach , sondern vor der Liebe.
    Im Jahr 1967 bringt der Engländer Engelbert Humperdinck die Single Release Me (And Let Me Love Again) auf den Markt. Bis dahin hatte es zwar unzählige Liebeslieder gegeben und unzählige Lieder, die von fehlender Liebe und Trennung handeln – doch immer aus der Sicht des Ungeliebten, des Verlassenen.
    [24] Release me ist der erste Song, der einen Trennungswunsch ausspricht, der Trennung und fehlende Liebe aus der Sicht des Trennungswilligen behandelt. Der Song klingt wie ein Liebeslied. Doch er handelt von Nichtliebe und – von der nächsten Liebe.
    Please release me, let me go
    For I don’t love you anymore
    To waste our lives would be a sin
    Release me and let me love again
    Der Song steht fünfundsechzig Wochen auf Platz eins der britischen Charts. Er erobert auch die Hitparaden in anderen Ländern. Es ist die Zeit, in der die Scheidungsraten, wie man sagt, explodieren. Noch gelten Trennung und Scheidung als verpönt. Der Song spricht aus, was viele denken – und bald auch tun werden. Angeblich hatte der Songschreiber Eddie Miller die Idee zu dem Song, als er in einer Bar einer Frau zuhörte, die ihrem Mann erklärte, dass sie sich trennen wolle. Nach dem Erfolg des Songs kommt auch ein Parfüm Release Me für Frauen auf den Markt.
    Eine Frau bleibt plötzlich auf der Straße stehen. Sie schüttelt den Kopf und sagt zu ihrem Mann: »Ich hatte auf einmal die Erleuchtung, dass du von mir weggehst; dass du mich allein lässt. Ja, das ist es. Geh weg, Bruno. Lass mich allein.«
    Eine Frau, die sich von ihrem Mann scheiden lassen will, sagt: »Ich bilde mir ein, dass Möglichkeiten zur Liebe in mir liegen, aber das alles liegt sozusagen in einem verschlossenen Raum. Das Traurige ist nur, dass das Leben, das ich bisher geführt habe, meine Möglichkeiten mehr und mehr eingekapselt hat. Dagegen muss ich endlich etwas unternehmen. Der erste Schritt dazu muss also sein, dass ich die Scheidung [25] einreiche. Ich glaube, dass mein Mann und ich einander auf eine – tödliche Weise im Wege stehen.«
    In diesem Buch wird von Männern wie von Frauen erzählt. Ja, die Tatsache, dass die Frauen jetzt wie die Männer ihre Freiheit nutzen, dass sie selber Liebe und Sex suchen, lässt diese Art nicht zu lieben überhaupt erst entstehen, sich verbreiten. Es ist ihre wichtigste Eigenschaft, dass sie die Grenzen der Geschlechter und Generationen, Schichten und Regionen überschreitet. Sie greift über – von den Männern auf die Frauen, von den Städten auf das Land, von den Reichen auf die Armen, von den Jungen auf die Alten. Sie schwappt zurück – von den Frauen zu den Männern, vom Land in die Städte, von den Armen zu den Reichen, von den Alten zu den Jungen. Sie verschlingt ihr Gegenteil und macht es sich gleich. Der Einzelne ist nur deshalb von dieser Art nicht zu lieben betroffen, weil alle betroffen sind. Es ist das Besondere an ihr, dass sie allgemeingültig wird. Wollte man sie eingrenzen auf ein Merkmal, so müsste man sagen: Alles an ihr geht über Grenzen hinaus, bis ans Ende seiner Möglichkeiten.
    Eine Frau trennt sich von einem Mann, weil sie weiß, dass sexuelle Möglichkeiten in ihr liegen, die sie mit dem Mann nicht ausleben kann. Sie trennt sich, weil sie weiß, dass Möglichkeiten zur seelischen Entwicklung in ihr liegen, die sie mit dem Mann nicht ausschöpfen kann (denn der Mann entwickelt sich nicht).
    Sie trennt sich, weil sie weiß, dass die Verbindung zu diesem Mann auf einer Idealisierung, einer Kompensation und einer Schwäche beruht. Die Frau sagt: »Ich habe den Mann idealisiert. Ich habe in ihm gesucht, was mir fehlt. Meine Schwäche war die Basis der Beziehung.« Die Frau [26] trennt sich. Sie lässt nicht zu, dass ihre Möglichkeiten eingekapselt werden; dass ihr Bewusstsein ein schwaches, neurotisches ist.
    Ein Psychologe sagt: »Der Mensch hat ein Interaktions-Selbst. Das heißt: Er ist mit einem Partner anders als mit einem anderen Partner. Sein
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