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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe
Autoren: Sven Hillenkamp
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Theaterpublikums einst, im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, die Liebe auf der Bühne. Tief berührt, doch ahnungslos.
    Ein Mann lebt seit drei Jahren mit einer Frau zusammen. Sie haben sich kennen gelernt über eine Internetseite, die der Partnersuche dient. Die Frau ist achtundzwanzig, der Mann vierunddreißig. Eines Tages fällt der Frau ein, dass ihr Profil noch im Internet steht: zwei Fotos und der Text, den sie über sich und ihre Erwartungen an eine Partnerschaft geschrieben hatte. Die Frau geht online. Als sie die Fotos sieht, aufgenommen während einer Reise durch Vietnam, hat sie das Gefühl, zwischen der Person auf den Fotos und ihr liege eine Ewigkeit. In diesen drei Jahren, denkt sie, sei sie erwachsen geworden.
    Sie sucht nach seinem Profil , lacht, als sie die Fotos sieht. Er hat noch kein graues Haar, die Augen sind groß und traurig, wie die eines Kindes, das man in der Fußgängerzone hat stehen lassen. Dann sieht sie den kleinen Sendemast, der rechts oben auf der Seite blinkt.
    Als er nach Hause kommt, hat sie alle Entscheidungen getroffen. Er sagt, es sei nur ein Spiel gewesen, ein Zeitvertreib. [19] Er habe sich nie mit jemandem verabredet. Er habe nur die Nachrichten gelesen, nicht einmal geantwortet. Doch sie weiß, dass er, während der drei Jahre, die sie ein Paar gewesen sind (sie haben über Kinder gesprochen, den Kauf einer Wohnung, den Umzug in eine andere Stadt), weiter gesucht hat. Sie sagt: »Du hast weiter gesucht.« Als sei auch ihre Beziehung, ihre Liebe das Ergebnis einer Suche gewesen.
    Sie sagt: »Während ich mit dir geredet habe, während ich dich geküsst habe, warst du gar nicht da. Ich habe drei Jahre mit einem Hologramm geredet. Du warst die ganze Zeit über an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit. Ich bin ein Versuch für dich gewesen, nicht einmal das, ein Provisorium. Du hast dich in meiner Liebe, in unserem Leben aufgehalten wie in einem Wartezimmer.« Er streitet es ab. Doch irgendwann sagt er in die Stille: »Da war eine Sehnsucht, nach einer Frau … Ich weiß es auch nicht.«
    Bemerkenswert an dieser Geschichte ist nicht, dass der Mann über das Internet gesucht hat. Das Internet macht die Suche eines Menschen, die sonst für andere unsichtbar bleibt, nur sichtbar. Wer eine Waffe benutzt, kann durch sie überführt werden. Die Meisten aber benutzen keine Waffe, gebrauchen kein Suchwerkzeug – nur ihren Körper, ihren Geist. Sie suchen endlos mit ihrem Körper, ihrem Geist, bewegen sich durch die Stadt, durch die Register ihrer Erinnerung und Hoffnung, und suchen nach einem, der ihren Vorstellungen entspricht.
    Ein Roman handelt von einem jungen Menschen, der allein in einer großen Stadt lebt. Er sagt: »Wenn ich von zu Hause weggehe, rechne ich immer mit einem Ereignis, das mein Leben von Grund auf ändern wird. Ich erwarte es bis zum Moment meiner Rückkehr. Das ist der Grund, dass ich nie im Zimmer bleibe.«
    [20] Der Roman wurde im frühen zwanzigsten Jahrhundert geschrieben. Doch sein Held lebte, in der hier geschilderten Erfahrung, bereits in unserer Gegenwart, in einem Anfang unserer Gegenwart.
    Die Menschen können ihre Hoffnung an das Netz der Computer knüpfen oder an das Netz der Straßen. Tatsächlich sind heute beide, das Netz der Computer und das Netz der Straßen, weltweite Netze, Netze unendlicher Hoffnung.
    Es macht keinen Unterschied mehr, ob die Menschen drinnen oder draußen sind.
    Ein Mann und eine Frau leben seit neun Jahren zusammen. Sie haben sich über gemeinsame Freunde kennen gelernt. Sie sind in eine andere Stadt gezogen, in ein anderes Land. Sie haben ein Haus gebaut und geheiratet. Sie haben zwei Kinder und einen Hund (aber kein Internet). Dennoch sucht der Mann weiter. Er hat eine Sehnsucht. Er wartet. Und auch die Frau sucht weiter. Auch sie hat eine Sehnsucht. Auch sie wartet.
    Die Menschen, von denen hier die Rede ist, sind nicht unbedingt einsame Menschen. Sie leben mit anderen. Sie sind verheiratet, haben Kinder. Manche verlieben sich, wenn auch für immer kürzere Zeit. Es sind Menschen, die auf der Suche sind. Sie verlassen ihre Suche nicht mehr, indem sie eine Wahl treffen. Sie wählen, immer weiter zu suchen. Treu sind sie nur ihrer Hoffnung.
    Eine Studie über »Partneralternativen und Ehescheidungen« ergibt: Das Risiko der Scheidung ist dort am höchsten, wo die Menschen vielen anderen, vielen möglichen Partnern begegnen. Die Berufstätigkeit der Frauen und die gestiegene räumliche und gesellschaftliche
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