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Das Dunkel der Lagune

Das Dunkel der Lagune

Titel: Das Dunkel der Lagune
Autoren: Jack Higgins
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hatte, und riss ihm dann den Hörer aus der Hand. Der Russe stolzierte mit beleidigter Miene davon. Hagen drehte ihm den Rücken zu und sagte: »Hallo, Kleine. Hast du gut geschlafen?«
      Ihre Stimme drang klar und hell aus dem Hörer: »Kapitän Hagen! Ich bin eben erst aufgewacht!«
      Er lachte vergnügt. »Da du offensichtlich das Frühstück verpasst hast, wie wär's dann mit einem gemeinsamen Mittagessen?« Er tastete nach den zwei, drei Scheinen, die er in der Tasche hatte, seiner eisernen Reserve, und sie bat ihn, ihr zwanzig Minuten Zeit zum Duschen und Anziehen zu geben.
      Hagen setzte sich in einen der vielen Sessel und blätterte in einer vier Wochen alten Zeitschrift. Er tat es jedoch mit wenig Interesse, denn fast die ganze Zeit musste er an das Mädchen denken. Erwartungsvoll sah er ihrem erneuten Zusammentreffen entgegen. Es war ein ganz neues Gefühl. Ein beunruhigendes Gefühl. Er hatte sich schon lange nicht mehr so stark für eine Frau interessiert. Sie hatte so etwas Unbefangenes und Erfrischendes an sich. Seine Einladung zum Mittagessen hatte sie mit so unverhohlener Freude angenommen, dass er sich plötzlich fragte, ob er sich da nicht auf etwas Ernstes einließ. Er verdrängte den Gedanken mit einem Achselzucken. Heute würden sie sich zum letzten Mal sehen. Ein Mittagessen zu zweit, um die ganze Sache abzurunden.
      Hagen schaute zur Fahrstuhltür hinüber. Endlich öffnete sie sich, und das Mädchen kam heraus. Er stand auf und ging auf sie zu. Rose blickte suchend um sich, und als sie ihn erkannte, erschien ein liebliches Lächeln auf ihrem Gesicht.
      Als sie an der Rezeption vorbeiging, rief der Russe: »Oh, Miss Graham, hätten Sie einen Moment Zeit?« Hagen blieb einige Schritte entfernt stehen, den Hut in der Hand, heuchelte Interesse an irgendwelchen Reisebroschüren und versuchte, so viel wie möglich von dem Gespräch mitzubekommen. Es schien darum zu gehen, dass sie mit ihrer Hotelrechnung drei Wochen im Rückstand war, und der Russe gab ihr das unmissverständlich zu verstehen. Hagen wollte sich gerade einmischen, als das Mädchen die Handtasche öffnete und ein Scheckbuch herausholte. Sie kritzelte wütend etwas hin, riss den Scheck heraus und schleuderte ihn dem Mann ins Gesicht.
      Dann drehte sie sich zu Hagen um und verfluchte den Mann in fließendem Malaiisch, Chinesisch und einem Dialekt, den er nicht kannte. »Diese Leute glauben, sie können alles mit mir machen, nur weil ich Eurasierin bin!«
      Hagen grinste. »Das mit dem Scheck war das Schönste an dem ganzen Auftritt«, sagte er.
      Sie lächelte leicht gequält, doch plötzlich verfinsterte sich ihre Miene, und sie brach in Tränen aus. Bevor sie Aufmerksamkeit erregen konnten, ergriff Hagen ihren Arm und schob sie schnell in die Bar, die um diese Zeit kaum besucht war, da im Speisesaal bereits das Mittagessen serviert wurde. Er führte sie in eine Nische, damit sie sich ausweinen konnte, setzte sich auf einen Barhocker und trank einen Whisky-Soda.
      Hagen war verwirrt. Das Mädchen hatte eine gute Erziehung genossen und trug teure Kleidung. Offensichtlich war sie nur das Beste gewöhnt. Normalerweise ließ man die Hotelrechnung nicht drei Wochen lang unbezahlt, wenn man ein Scheckbuch besaß. Er fragte sich, wie viel wohl noch auf dem Konto sein mochte. Vielleicht würde der russische Portier den Scheck, den sie ausgestellt hatte, vom Hotelbesitzer wieder an den Kopf geschleudert bekommen. Der Gedanke belustigte ihn. Das Mädchen setzte sich auf einen Hocker. Sie hatte sich wieder gefasst, und nur noch der unnatürliche Glanz ihrer Augen verriet, dass sie geweint hatte. »Könnte ich bitte einen Drink bekommen?«
      »Aber selbstverständlich! Einen Gin Tonic?« Sie nickte, und er bestellte.
      Hagen sprach erst weiter, als der Barkeeper ihr den Drink hingestellt hatte und ans andere Ende der Bar zurückgegangen war, um Gläser zu polieren.
      »Ist der Scheck gedeckt?«
      Sie lächelte müde und trank einen Schluck. »Gerade so eben. Ein paar Dollars sind noch da, aber dann …« Dies wäre der Moment für eine ritterliche Geste, dachte Hagen. Plötzlich musste er denken, welche Ironie des Schicksals es doch war, dass sie ausgerechnet ihm begegnet war, und er lachte laut auf. Sie errötete verärgert. »Was ist so lustig?«, fragte sie.
      Er beeilte sich, sie zu beruhigen. »Ich lache doch nicht über dich. Ich bin bloß selbst zur Zeit etwas mittellos. Wir zwei geben ein hübsches
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