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Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)

Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)

Titel: Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Ulrike Schweikert
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dem Hintergrund. »Hast du etwas gefunden?« Gedämpft und wie durch dichten Nebel, aber für das feine Gehör der Katze deutlich zu verstehen.
    »Hier steht der geborstene Spiegel«, antwortete die Frau. »Es ist seltsam. Komm und sieh es dir an. Das Glas ist zersprungen, aber es ist etwas dahinter.«
    Beim Klang ihrer Stimme fuhr Inthan von seiner Arbeit auf und starrte den Spiegel an. Die rothaarige Frau trat noch ein Stück näher.
    »Es ist alles so trüb, aber ich kann eine Katze erkennen, die auf einem Sessel liegt.« Inthan stöhnte auf und klammerte sich an der hohen Lehne fest.
    »Und da ist ein Mann in einem geflickten grauen Gewand. Er ist alt und hat einen langen Bart und langes Haar, das ihm über die Brust hängt. Seine Augen sind blau, und er sieht mich an, als hätte er sich zu Tode erschreckt!«

1
Der weiße Drache
    Astorin stand in seinem Studierzimmer vor dem bogenförmigen Fenster und sah hinaus. Sein Blick war starr auf die abweisende Vulkanlandschaft gerichtet, ohne dass er sie sah. Seine Augen waren ohne Glanz, fast wie die eines Toten, als wäre der Geist aus dem Schädel, zu dem er gehörte, gewichen. Lange schon stand der Magier da, ohne sich zu rühren. Fast müsste es ihn wundern, dass er überhaupt noch stehen konnte, hätte er darüber nachgedacht, aber sein Kopf war leer wie sein Blick. Wochenlang hatte Astorin gewütet. Er hatte sich weder Essen noch Schlaf gegönnt, war unablässig in seiner Burg auf und ab gelaufen und hatte in all seinen Büchern und Schriftrollen nach einer möglichen Rettung für seine Pläne gesucht. Nichts. Nicht der kleinste Hinweis. Er war gescheitert. Alles hatte sich in Rauch aufgelöst – oder sollte er besser sagen, war von einem kleinen weißen Drachen verschlungen worden?
    Es spielte keine Rolle mehr. Wozu sollten noch Gedanken in seinem Schädel kreisen, jetzt, da sein Lebenswerk vernichtet war. Dabei war er schon so weit gekommen! Wie von einer fremden Macht angezogen, wandte er langsam den Kopf. Die Pupillen zogen sich ein paarmal zusammen und fixierten dann den Schrein, um den die Luft bläulich schimmerte. Noch immer schützte ein magisches Feld seinen Inhalt. Wozu? Mit hölzernen Schritten trat Astorin näher. Sein Blick blieb an den drei Drachenfiguren hängen, die so verführerisch, ja fast überirdisch schimmerten und die nun so nutzlos waren. Ein kupferner, ein roter und ein blauer Drache lagen dort. Astorin wusste, dass der schwarze Drache vom Herrn auf Draka geschützt wurde und dass der silberne Drache vermutlich in den Katakomben von Ehniport gestrandet war, aber dieses Wissen war nun nichts mehr wert. Die Figuren der Drachenkrone hatten ihre Macht in dem Augenblick verloren, da der einzige weiße Drache aller Welten aus seinem Ei geschlüpft war: Covalin, dessen Schuppen bei Sonnenauf-und Sonnenuntergang wie Kupfer glänzten und der im hellen Licht des Tages schimmerte wie frisch gefallener Schnee. Solange er lebte, würden mit den sechs Figuren nicht mehr die Farben aller Drachen in der Krone vereint sein. Selbst wenn es ihm gelang, die restlichen Bruchstücke aufzuspüren und sie unter dem Drachentor zwischen den Welten zusammenzusetzen, die Macht der Krone war dahin.
    Astorin hatte den weißen Drachen gejagt, um ihn zu töten, doch er war gescheitert. Covalin war in den nördlichen Vulkanbergen in Sicherheit, denn er stand unter dem Schutz des großen goldenen Drachen, des ältesten und weisesten Wesens der Welten. Solange Covalin dort blieb, war er für Astorin unerreichbar.
    Der Magier brachte mit einer Handbewegung das Kraftfeld zum Erlöschen. Er öffnete den Schrein und nahm die rote Drachenfigur in die Hand. Sie fühlte sich nicht anders an als vor Covalins Erscheinen, warm und schwer. Astorins Finger tasteten über die winzigen Schuppen, die Fänge und Rückenstacheln, die wie im Kampf aufgestellt waren.
    Was sollte er jetzt tun? Solange er zurückdenken konnte, war sein ganzes Streben auf die Entdeckung und die Wiedervereinigung der Bruchstücke der Drachenkrone ausgerichtet gewesen. Dafür hatte er studiert, sich geplagt, geraubt und getötet. Was würde er nun mit seinem Leben anfangen? War es denn überhaupt noch wert, es weiter zu leben? Achtlos legte Astorin die Figur zurück und ließ sich in den gepolsterten Scherenstuhl vor seinem Schreibpult fallen. Er machte sich nicht die Mühe, das Kraftfeld wieder zu errichten. Er fühlte sich müde und ausgelaugt. Seine Lider sanken herab. Wenn er doch nur schlafen könnte.
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