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Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften
Autoren: Jules Verne
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fünfzig zählen.
    »Da draußen müssen sich Eingeborne angesammelt haben, begann Urdax, und wahrscheinlich sind das Budjas, die meist an den Ufern des Congo und des Ubanghi umherschwärmen.
    – Natürlich, meinte Khamis, von allein werden sich jene Fackeln nicht entzündet haben.
    – Und daneben, bemerkte John Cort, sind auch Arme da, die sie halten und umhertragen.
    – Diese Arme aber, fuhr Max Huber fort, müssen an Schultern sitzen, und die Schultern wieder zu Menschenkörpern gehören, doch inmitten des Lichtscheins erblickt man davon keinen einzigen…
    – Sie halten sich jedenfalls ein wenig jenseit des Waldesrandes, hinter den Bäumen, ließ sich Khamis vernehmen.
    – Man erkennt überdies auch, nahm Max Huber wieder das Wort, daß die Rotte da draußen nicht auf dem Wege um den Wald herum ist, denn die Lichtpunkte entfernen sich einmal nach rechts oder links hin, vereinigen sich dann aber immer aufs neue…
    – Gewiß an der Stelle, wo sich das Lager der Eingebornen befindet, bemerkte der Foreloper.
    – Und was ist Ihre Ansicht? wendete sich Urdax an John Cort.
    – Ich glaube, daß uns ein Angriff droht, versicherte dieser, und daß wir uns sofort zur Vertheidigung rüsten müssen…
    – Warum sollten uns die Eingebornen aber nicht überfallen haben, bevor sie sich zeigten?
    – O, Neger sind eben keine Weißen, erklärte der Portugiese. Fehlt es ihnen auch an kluger Vorsicht, so sind sie wegen ihrer Zahl und ihrer Wildheit doch nicht minder zu fürchten.
    – Reine Panther, die unsere Missionäre große Mühe haben werden, in Lämmer zu verwandeln, antwortete Max Huber.
    – Halten wir uns bereit!« schloß der Portugiese.
    Ja, jetzt galt es, sich auf alles bereit zu machen, sich bis zum Tode zu vertheidigen. Von den wilden Völkerschaften Ubanghis darf man kein Erbarmen erwarten. Wie grausam sie sind, kann man sich kaum vorstellen; selbst die wildesten Stämme Australiens, der Salomonsinseln, der Hebriden und Neuguineas würden mit ihnen schwerlich den Vergleich aushalten. Im Herzen des hiesigen Landestheiles giebt es nur Kannibalendörfer, und die Väter der Missionen, die dem schrecklichsten Tode furchtlos ins Antlitz schauen, wissen das auch sehr wohl. Man wäre wirklich versucht, diese Wesen, ein Raubzeug mit Menschenangesicht, hier im äquatorialen Afrika unter die Thiere zu rechnen, und ihnen gegenüber ist Schwäche ein Verbrechen und nur die Gewalt berechtigt. Selbst im reisen Mannesalter haben diese Schwarzen nicht einmal soviel Kenntnisse, wie bei uns ein fünf-bis sechsjähriges Kind.
    Man darf auch behaupten – Beweise giebt es in Ueberfluß und die Missionäre sind oft genug Zeugen von entsetzlichen Auftritten gewesen – daß hierzulande Menschenopfer noch vielfach im Schwange sind. Man ermordet die Sklaven auf dem Grabe ihres Herrn, und ihre an einen elastischen Zweig gehängten Köpfe werden weit fortgeschleudert, sobald der Fetischdiener sie abgeschnitten hat. Im Alter von zehn bis zu sechzehn Jahren dienen Kinder als Nahrung bei größeren Festen, und manche Häuptlinge sollen sich ausschließlich von solchen nähren.
    Zu ihren Kannibalengelüsten gesellt sich noch eine ungezähmte Raubgier. Diese führt sie oft auf die Straßen der Karawanen, die sie überfallen, ausplündern und vernichten. Sind sie auch weniger gut bewaffnet als die Händler und deren Begleitmannschaft, so haben sie doch den Vortheil der größeren Zahl, und einige tausend Eingeborne nehmen es allemal mit ein paar hundert Trägern auf. Die Forelopers wissen das recht gut; sie hüten sich auch sorgsamst, Negerdörfern wie Ngombe Dara, Kalaka Taimo und andern in der Umgebung des Aukadepe und des Bahar-el-Abiad zu nahe zu kommen, wo noch keine Missionäre thätig gewesen sind, wohin diese aber auch noch vordringen werden. Keine Furcht vermag deren Feuereifer zu dämpfen, wo es sich darum handelt, zarte Menschengeschöpfe vor dem Tode zu retten und jene wilden Rassen durch christliche Civilisation aus ihrer Versunkenheit emporzuheben.
    Vom Anfang seines Zuges an hatte der Portugiese Urdax nicht immer Angriffen durch Eingeborne aus dem Wege gehen können, dabei war es ihm jedoch stets gelungen, ohne größeren Schaden davonzukommen, und er führte sein Personal jetzt in unverminderter Zahl heim. Die Rückkehr versprach eigentlich in vollster Sicherheit zu verlaufen. Nach Umgehung dieses Waldes an der Westseite, gelangte man an das rechte Ufer des Ubanghi und längs dieses Flusses gedachte man bis zu seiner
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