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Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften
Autoren: Jules Verne
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Stromschnellen des Zongo auf den Ubanghi.
    – Würde es unsere Reise nicht abkürzen, wenn wir quer hindurch zögen? fragte Max Huber.
    – Ja freilich, um etwa vierzehn Marschtage.
    – Nun, warum sollen wir das denn nicht thun?
    – Weil jener Wald ganz undurchdringlich ist.
    – Oho… undurchdringlich! erwiderte Max Huber mit dem Ausdrucke des Zweifels.
    – Für Fußgänger vielleicht nicht, fuhr der Portugiese fort, und doch bin ich mir dessen nicht sicher, weil es noch keiner versucht hat; sich aber mit den Zugochsen hinein zu wagen, wäre ein Unterfangen, das mißglücken müßte.
    – Sie sagen, Urdax, daß es noch niemand versucht hat, durch diesen Wald zu kommen?
    – Ob versucht, das weiß ich nicht, Herr Huber, doch ausgeführt hat es noch keiner, und in Kamerun wie im Congogebiete wird es niemand einfallen, es zu unternehmen. Wer getraute sich auch wohl, da hindurchzudringen, wo es nur stachlige Dickichte und dorniges Strauchwerk, doch keine Spur von einem Pfade giebt? Ich glaube, kaum mit Feuer und Axt könnte man sich dort einen Weg bahnen, von den umgestürzten Bäumen gar nicht zu reden, die fast unüberwindliche Hindernisse bilden müssen…
    – Unüberwindliche, Herr Urdax?…
    – Ich bitte Dich, lieber Freund, nahm John Cort jetzt das Wort, gieb den Gedanken, Dich in jenen Wald zu wagen, getrost auf. Ein Glück für uns, daß wir nur um ihn herumzufahren brauchen. Ich gestehe, daß es mir nie einfallen könnte, mich in ein derartiges Labyrinth von Bäumen zu verirren.
    – Nicht einmal, um zu sehen, was sich darin findet?
    – Ja, was in aller Welt soll sich denn da finden, Max?… Etwa unbekannte Königreiche, verzauberte Städte, mythologische Eldorados, bisher nie gesehene Geschöpfe, vielleicht Raubthiere mit fünf Füßen oder menschliche Wesen mit drei Beinen?
    – Warum denn nicht, John! Man braucht ja nur hinzugehen, um darüber klar zu werden.«
    Llanga, der mit weit offenen Augen und gespannter Aufmerksamkeit dem Meinungsaustausche gefolgt war, schien sagen zu wollen, daß er nicht davor zurückschrecken werde, Max Huber gegebenen Falles in den unheimlichen Wald zu folgen.
    »Da nun Urdax, fuhr John Cort fort, bestimmt davon absieht, ihn zu durchkreuzen, um nach dem Ufer des Ubanghi zu gelangen…
    – Ja, ja, sicherlich, bekräftigte der Portugiese; hinein können wir wohl, doch nimmer wieder heraus.
    – Nun also, lieber Max, machen wir es kurz: Dir mag es gestattet sein, die Geheimnisse dieses Waldes zu ergründen, Dich in seine undurchdringlichen Dickichte zu wagen, doch… selbstverständlich nur im Traume, und selbst das halte ich noch für etwas unklug.
    – Lache Du nur, John, lache mich aus, wie Du willst. Ich erinnere mich aber, daß einer unserer Dichter – ich weiß nicht gleich, welcher – gesagt hat: Das Unbekannte aufsuchen, um das Neue zu finden!
    – Wirklich, Max?… Und wie heißt denn die Verszeile, die sich mit dieser reimt?
    – Wahrhaftig… die hab’ ich vergessen, John!
    – So vergiß auch die erste, wie Du die zweite vergessen hast, und laß uns nun endlich ruhig schlafen gehen.«
     

    »Alle Wetter, jetzt geht etwas unbegreiflich Fremdartiges vor sich!« (S. 29.)
     
    Das war wohl das Klügste, was sie thun konnten, und zwar ohne dazu den Wagen aufzusuchen.
    Eine Nacht am Fuße der Anhöhe unter den breitästigen Tamarinden, deren Frische die noch nach Sonnenuntergang sehr starke Wärme der Luft milderte, das war für Stammgäste des »Hôtels zum freien Himmel« ja nichts Besonderes, wenn die Witterung es nur irgend erlaubte. Heute Abend, wo kein Regen drohte, obwohl die Sterne von dichten Wolken verdeckt waren, empfahl es sich ganz besonders, in freier Luft zu schlafen.
    Der junge Eingeborne brachte Decken herbei. Gut eingehüllt, streckten die beiden Freunde sich zwischen den Wurzeln einer Tamarinde, wie auf einer richtigen Cabinenlagerstatt aus, und Llanga sachte sich, wie ein Wachhund, ein Plätzchen neben ihnen.
    Ehe Urdax und Khamis das Gleiche thaten, wollten sie noch einmal um den Lagerplatz herumgehen, sich überzeugen, daß die gefesselten Ochsen sich nicht auf der Ebene verlieren könnten, daß die Träger auf ihrem Wachposten und daß die Feuer sorgsam gelöscht wären, denn hier hätte ein einziger Funke genügt, das dürre Gras und das abgestorbene Holz in der Umgebung in Brand zu setzen. Dann kamen auch die beiden Männer nach dem Hügel zurück.
    Bald hatte alle der Schlaf umfangen… ein Schlaf, bei dem sie Gottes Donner nicht gehört
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