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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron
Autoren: Giovanni Boccacio
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die noch Lebenden, fliehen, ohne daß wir wüßten, wo sie sich befinden, der eine hierhin, der andre dorthin, in verschiedener Gesellschaft das gleiche Übel, dem auch wir zu entgehen suchen. Fremde aufzufordern ziemte sich nicht; denn wenn wir unserem Heile nachgehen wollen, müssen wir uns so einzurichten wissen, daß wir nicht Verdruß und Schande ernten, wo wir Freude und Ruhe zu gewinnen suchen.«
    Während dieses Gespräch noch unter den Damen im Gange war, traten unvermutet drei junge Männer in die Kirche, unter denen indes der jüngste kein geringeres Alter als fünfundzwanzig Jahre hatte und in deren Herzen weder die Widerwärtigkeiten jener Zeit noch der Verlust der Freunde und Verwandten, noch endlich die Furcht für ihr eigenes Leben die Liebe zu vertilgen oder abzukühlen vermocht hatte. Der erste unter ihnen hieß Panfilo, Filostrato der zweite und Dioneo der dritte, von denen ein jeder gar artig und gebildet war. Sie waren eben unterwegs, um als höchsten Trost in dieser gewaltigen Erschütterung aller Dinge den Anblick ihrer Damen zu suchen, die sich zufällig alle drei unter den genannten sieben befanden, wie denn auch der eine und der andere unter ihnen mit einigen der übrigen Mädchen durch Verwandtschaft verbunden war.
    Die Damen wurden ihrer früher ansichtig, als sie von ihnen gewahrt wurden, weshalb Pampinea lächelnd anhub: »Seht, das Glück ist unserem Beginnen günstig und führt uns verständige und wackere Jünglinge zu, die gern unsere Führer und Diener sein werden, wenn wir nicht verschmähen wollen, sie zu diesem Amte anzunehmen.« Neifile aber wurde bei dieser Rede im ganzen Gesicht purpurrot vor Scham, denn sie wußte, daß einer der jungen Männer sie liebte, und sagte: »Pampinea, bei Gott, bedenke, was du sprichst! Ich weiß gewiß von keinem unter jenen, welcher es auch sei, irgend etwas anderes als lauter Gutes zu sagen; auch halte ich sie zu weit größeren Dingen, als dieses ist, geschickt und glaube, sie leisteten nicht allein uns, sondern auch viel schöneren und würdigeren Damen gute und ehrbare Gesellschaft. Weil es aber offenkundig ist, daß sie in einige, die sich unter uns befinden, verliebt sind, so fürchte ich, daß uns ohne ihre und unsere Schuld Tadel und Schande daraus erwachsen könnten, wenn wir sie mitnähmen.«
    Filomena antwortete darauf: »Das hat nichts zu bedeuten; solange ich sittsam lebe und mein Gewissen mir keine Vorwürfe macht, gilt es mir gleich, was man von mir redet, denn Gott und die Wahrheit werden zu meinem Schutze die Waffen ergreifen. Wären sie nur schon bereit, mit uns zu gehen, so könnten wir wahrlich, wie Pampinea sagte, uns rühmen, das Glück begünstige unsere Unternehmung.«
    Als die übrigen Mädchen Filomenas Worte vernommen hatten, beruhigten sie sich nicht allein, sondern verlangten in allgemeiner Übereinstimmung, daß jene gerufen, mit ihren Plänen bekannt gemacht und gebeten würden, ihnen Gesellschaft zu leisten. Zu diesem Zweck erhob sich Pampinea ohne weitere Worte und ging auf die Jünglinge zu, mit deren einem sie verwandt war, grüßte die ins Anschauen der Mädchen Versunkenen mit heiterem Antlitz und bat sie im Namen aller, nachdem sie ihren Plan zuvor auseinandergesetzt, daß sie sich entschließen möchten, ihnen mit reinen und brüderlichen Gesinnungen Gesellschaft zu leisten. Die Jünglinge glaubten anfangs, man wolle sie zum besten haben; als sie aber sahen, daß es der Dame Ernst war, antworteten sie freudig, sie seien bereit. Dann verabredeten sie, ohne die Ausführung ferner aufzuschieben, noch ehe sie die Kirche verließen, was bis zu ihrer Abreise noch besorgt werden müsse.
    Nachdem sie alles in gehöriger Ordnung bereiten und an den Ort hatten senden lassen, wohin zu gehen sie zunächst beabsichtigten, machten sich am ändern Morgen, das heißt am Mittwoch, die Damen mit einigen ihrer Dienerinnen und die drei Jünglinge mit dreien ihrer Leute bei Tagesanbruch auf den Weg. Sie verließen die Stadt, waren aber noch nicht mehr als zwei kleine Meilen weit von ihr entfernt, als sie schon an dem Orte anlangten, den sie fürs erste verabredet hatten.
    Dieser Landsitz lag auf einem kleinen Hügel, nach allen Richtungen ein wenig von unseren Landstraßen entfernt, und war mit mancherlei Bäumen und Sträuchern bewachsen, alle grünbelaubt und lieblich anzusehen. Auf dem Gipfel dieser Anhöhe stand ein Palast mit einem schönen und großen Hofraum in der Mitte, reich an offenen Gängen, Sälen und Zimmern, die,
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