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Das Dante-Ritual (German Edition)

Das Dante-Ritual (German Edition)

Titel: Das Dante-Ritual (German Edition)
Autoren: André Lütke-Bohmert
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in diese Kategorie. Erwarten Sie von uns, dass wir ihn als Eigenbrötler beschreiben, der einen Hass auf Alles und Jeden hegte? Frank Laurenz war kein vom Leben enttäuschter Psychopath.“
    „Das wollte ich auch nicht andeuten.“
    Die Tür ging auf.
    Hagner manövrierte ein Tablett mit belegten Brötchen und einer Kanne dampfenden Kaffees ins Zimmer und stellte es kommentarlos auf den Tisch.
    „Duzen Sie alle Studenten oder nur die, die Ihnen am Herzen liegen?“, fragte Rensing beiläufig, während er nach einem Käsebrötchen griff.
    Beekmann war der zynische Unterton nicht entgangen. „Wenn man sich intensiv der geistigen Formung eines wissbegierigen Individuums widmet“, hob er empört an, „ist es nicht unüblich, wenn Förmlichkeit durch Freundlichkeit ersetzt wird. Das ist ein nur allzu humaner Prozess.“
    „Nein, ich duze nicht alle Studenten, und ja , Frank lag mir am Herzen.“
    Beekmann musste schmunzeln. Dass Jan Lohoff sich durch Autorität, gleich in welcher Erscheinungsform, nicht sonderlich beeindrucken ließ, war ihm schon bei anderen Anlässen aufgefallen. Es passte zum Wesen des selbstsicheren Karrieristen, das er in ihm zu erkennen glaubte.
    Jan Lohoff. Liebling der Massen. Attraktiv, gewandt, spitzbübisch. In seinen Vorlesungen und Seminaren herrschten mitunter Verhältnisse wie in einem Fußballstadion. Beekmann hatte mit eigenen Augen gesehen, wie die Studenten dem erstaunlich athletischen Geisteswissenschaftler an den Lippen hingen, wenn er wie auf Schienen durch die komplexesten Themengebiete reiste. Ohne theatralische Gesten. Nur mit seinem Charisma und der Akrobatik seiner Stimme bewaffnet. Im Philosophischen Seminar trat er stets auf, als trage er eine kugelsichere Weste unter dem Anzug. Nicht eben selten hatte Beekmann die unterschwellige Wut in den Gesichtszügen der Kollegen aufblitzen sehen, wenn Lohoff sich in Fachdiskussionen das schulterlange blonde Haar zurückstrich und Kommentare wie „Was Sie nicht sagen, Herr Kollege“ oder „Ja, ja, der gute Immanuel, Gott hab ihn selig“ fallen ließ. Umso mehr verwirrte Beekmann Lohoffs Körpersprache, die er seit der Vorführung der Videoaufnahme an den Tag legte. So vermied er es beinahe gänzlich, den Anwesenden in die Augen zu sehen.
    „Ich habe einen achtzehnjährigen Sohn, der mit dem Gedanken spielt, nach dem Abitur BWL zu studieren“, sagte Rensing. „Muss ich mir Sorgen um den Erziehungsauftrag unserer Hochschulen machen?“
    Lohoff starrte wieder die Wand an.
    Beekmann nahm eine der Tassen vom Tablett und goss sich Kaffee ein. „Die Universität hat keinen Erziehungs- sondern einen Bildungsauftrag. Es ist zweifellos fatal, wenn Desillusionierung, Erfolgsdruck oder Schicksalsschläge einen jungen Menschen in den Freitod treiben. Aber bedenken Sie bitte, dass in Münster rund vierzigtausend Studenten leben. Aus einem Einzelschicksal ein generelles Versagen der Universität ableiten zu wollen, erscheint mir maßlos überzogen. Es steht der Polizei nicht zu, die Universität mit haltlosen Unterstellungen in ein schlechtes Licht zu rücken. Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, Herr Rensing, aber Sie können sich sicher vorstellen, welch große Bestürzung bei uns herrscht.“
    Rensing nickte. „Die Angelegenheit dürfte Sie ziemlich mitgenommen haben.“
    „Die Angelegenheit ?“ Jan Lohoff beugte sich vor und sah Rensing herausfordernd an. „Heucheln Sie kein Verständnis. Wie würden Sie sich fühlen, wenn man Ihnen ein nettes Filmchen zeigte, in dem ihr hoffnungsvollster Polizeianwärter verbal Amok läuft und sich die Pulsadern in Fetzen schneidet?“
    „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten“, entgegnete Rensing kleinlaut.
    „Die Stadt Münster als Spielball der Sensationsmedien erleben zu müssen ist schon schmerzlich genug“, gab Beekmann zu bedenken. „Sobald der Platzhalter ‚Mörder‘ mit ‚der Student Frank L.‘ gefüllt sein wird, haftet der Universität der desaströse Makel an, Brutstätte von Terror und Gewalt zu sein.“
    „Jetzt sind Sie derjenige, der Frank Laurenz´ Beweggründe im akademischen Umfeld vermutet“, warf Rensing ein. „Ich bin Ihrer Meinung, was die Berichterstattung im Mordfall Pape angeht. Aber ein desaströser Imageschaden für die Universität? Übertreiben Sie da nicht ein wenig?“
    „Ich suche Laurenz´ Motive keineswegs im akademischen Umfeld“, widersprach Beekmann. „Sie machen es sich zu einfach, wenn sie die Universität zum Schlachtfeld erklären, nur
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