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Das Dante-Ritual (German Edition)

Das Dante-Ritual (German Edition)

Titel: Das Dante-Ritual (German Edition)
Autoren: André Lütke-Bohmert
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Videoaufnahme, konnte er die Einrichtung nur noch mit einem Wort beschreiben: leblos. Ein nussbrauner, mit Kratzern und Kaffeeflecken übersäter Tisch, der sein 25-jähriges Dienstjubiläum schon in den Achtzigern gefeiert haben dürfte, vier Stühle, die zwar jüngeren Datums, aber keineswegs hochwertiger waren, die Wände kahl, bis auf eine scheußliche Wanduhr und einen Kalender mit Vogelmotiven. In Beekmanns Geist hatte die Idee eines Verhörzimmers andere Schatten an die Höhlenwand geworfen. Wo war der venezianische Spiegel, der die tödliche Wirkung des Medusenblicks abhängig vom Standort des Betrachters machte? Wo die grelle Schreibtischfunzel, die dem zitternden Delinquenten jedes nur denkbare Geständnis mit tausend Watt aus den Eingeweiden brannte?
    Beekmann zog seine Taschenuhr aus der Westentasche und ließ den Deckel, unter dem sich ein Bild seiner verstorbenen Frau Maria verbarg, mit einem Klicklaut aufschnappen. Kurz nach halb neun.
    Der pausbäckige Beamte in Zivil mit Pupillen wie Flipperkugeln - Rensing hatte ihn als seinen Assistenten Karl Hagner vorgestellt - schüttelte den Kopf. Während der Vorführung hatte er in der Nähe der Tür herumgelungert und eine Zigarette nach der anderen gequalmt.
    „Verdammter Irrer“, spuckte er aus und lockerte den Knoten seiner albernen, zu kurz gebundenen Krawatte, auf der sich Comicfiguren mit gelben Gesichtern tummelten.
    „Da hätte er dir energisch widersprochen, Karl“, entgegnete Rensing. „Hast du nicht zugehört? ‚Ich ... bin ... nicht ... verrückt!‘“
    „Und ich bin der Kaiser von China“, knurrte Hagner. Auf seinem zerknitterten C&A-Hemd breiteten sich Schweißmonde aus. Als hätte mit der Helligkeit auch die Hitze im Raum zugenommen.
    Beekmann erhob sich. Seit man ihm vor anderthalb Jahren, kurz nach dem Sechzigsten, ein künstliches Hüftgelenk verpasst hatte, zog er das rechte Bein ein wenig nach - was auf dem PVC-Boden ein wimmerndes Geräusch erzeugte. Wie das Fiepen einer Maus. Ihm war übel. Die abgestandene Luft, dachte Beekmann bei sich und öffnete ein Fenster. Vor dem Präsidiumsgebäude beackerten zwei sonnengegerbte Bauarbeiter unter infernalischem Getöse das Kopfsteinpflaster mit Presslufthämmern.
    „Und Sie sind sich absolut sicher, dass Frank Laurenz der Täter ist?“, fragte er und wandte sich wieder vom Fenster ab.
    Rensing fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Dass er nicht zu jener Sorte Mensch gehörte, die eine Halbglatze durch einen von Ohr zu Ohr gekämmten Scheitel zu kaschieren versucht, hatte ihm bei Beekmann einen Sympathiepunkt eingebracht. Einen weiteren erwarb er sich durch die stoische Ruhe, die er ausstrahlte. Im Gegensatz zu Hagner, dem der Minderwertigkeitskomplex im Umgang mit Akademikern auf die Stirn tätowiert war, legte Hauptkommissar Martin Rensing keinerlei Berührungsängste an den Tag. Kein Wunder, dass er die Rolle des Chefs innehatte, obwohl er, mit vielleicht Ende vierzig, der jüngere der beiden Polizeibeamten zu sein schien.
    „Glauben Sie mir, Professor Beekmann, ich bin kein Freund von voreiligen Schuldzuweisungen, aber um an Laurenz´ Täterschaft zu zweifeln, müsste man schon verdammt blauäugig sein. ‚Ich habe ihn gerichtet‘ klingt nicht gerade nach Heiligenschein.“
    „Sarkasmus ist mitnichten ein adäquates Mittel, dieser Tragödie beizukommen.“ Beekmann war nicht erschienen, um sich provozieren zu lassen. Im Geiste zog er Rensing einen Sympathiepunkt wieder ab. Es sollte nicht der letzte gewesen sein.
    „Wieso sind wir hier?“, fragte Jan Lohoff. „Warum haben Sie uns dieses Videoband gezeigt?“
    Beekmann musterte seinen Kollegen irritiert. Bis zu diesem Moment hatte er teilnahmslos, wie weggetreten, einen imaginären Punkt an der Wand angestarrt. Was mochte jetzt in ihm vorgehen.
    „Professor Beekmann ist der Dekan des Fachbereichs, für den Frank Laurenz eingeschrieben war“, erklärte Rensing. „Sie, Herr Lohoff, waren Laurenz´ Doktorvater.“
    „Das ist so nicht korrekt“, stellte Beekmann klar. „Herrn Lohoff ist es nach den Hochschulstatuten nicht gestattet, als Doktorvater zu fungieren. Er hat lediglich in meinem Auftrag das Doktorandenkolloquium geleitet.“
    „Es wird sie kaum überraschen“, fuhr Rensing, Beekmanns Einwurf ignorierend, an Lohoff gerichtet fort, „wenn ich behaupte, dass die Universität eine nicht gerade unwesentliche Rolle in Laurenz´ Leben gespielt zu haben scheint.“
     „Wollen Sie von uns hören, ob Frank sich
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