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Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen

Titel: Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Autoren: Colleen Gleason
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ihre Umgebung konzentrierte.
    Es war ein großer Bereich, das Foyer von Grantworth House. Vier deckenhohe, dreiflügelige Türen am oberen Ende einer fünfstufigen Treppe waren zum Ballsaal hin geöffnet worden. Lampen und Kerzen erstrahlten in jedem Winkel, auf jeder Oberfläche, in jedem Wandhalter. Die Stützpfeiler des Raums waren von eingetopften, blattlosen Schößlingen umgeben, die man weiß gestrichen und mit funkelnden Girlanden behängt hatte. In einer Ecke des Saals war, beinahe verborgen hinter einer Gruppe weißer Bäume, ein sechsköpfiges Orchester positioniert, und auf einem langen, mit Schalen voller weißer Rosen dekorierten Tisch warteten Punsch und andere Erfrischungen auf die Gäste. Am anderen Ende des glänzenden Pinienholzparketts führten drei doppelflügelige Glastüren auf die Terrasse. Eine spätfrühlingshafte Willkommensbrise wehte herein und hätte den berauschenden Duft von Flieder und Forsythien mit sich gebracht, wäre die Luft nicht von französischen Parfums und Blütenwasser geschwängert gewesen.
    »Fühlst du es?«, zischte Eustacia, die sich ihr von hinten genähert hatte, Victoria ins Ohr, während sie sie von Mellys Seite wegzog.
    »Ja. Aber wie kann ich...«
    »Du wirst einen Weg finden, die Kreatur in die Enge zu treiben. Das weiß ich. Du bist eine Auserwählte, cara , und damit berufen, denn du besitzt die Gabe. Das Einzige, was du tun musst, ist, auf sie zu hören.« Eustacias Augen funkelten wie die Jetperlen in Victorias Haar. Ihr Blick war intensiv, voller Gewissheit,
und Victoria spürte plötzlich das ganze Gewicht der Bürde, die sie trug. Heute Nacht war ihre erste Prüfung. Falls sie sie bestand, würde ihre Tante ihr alles enthüllen.
    Falls nicht …
    Daran durfte sie gar nicht denken. Sie würde Erfolg haben. Die letzten vier Wochen hatte sie damit zugebracht, zu lernen, wie man sich bewegte und einen Vampir attackierte. Sie war so gut vorbereitet, wie man nur sein konnte.
    »Guten Abend, Miss Grantworth«, wurde sie von einer anmutigen jungen Dame begrüßt, die etwa in ihrem Alter war. »Ich bin Lady Gwendolyn Starcasset und hatte darauf gehofft, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich möchte Ihnen zu Ihrem wunderbaren Debüt gratulieren. Die weiß getünchten Bäume mit den silbernen Girlanden sind eine zauberhafte Idee.«
    Gwendolyn war kleiner und zierlicher als Victoria, mit honigblondem Haar und goldenen Augen. Ein paar vereinzelte Sommersprossen waren über Schultern und Rücken verteilt, allerdings hatte sie das Dekolleté leicht gepudert, wie um die dort vorhandenen zu verstecken. Sie hatte ein charmantes Grübchen, das sich rechts neben ihrem Mund zeigte, sobald sie lächelte. So wie jetzt.
    »Guten Abend, Lady Gwendolyn. Danke für das Kompliment, doch die Ehre gebührt nicht mir, sondern meiner Mutter. Sie versteht von Dekorationen und derlei Dingen viel mehr als ich.«
    Da Victoria nach dem Tod ihres Großvaters und ihres Vaters zwei Jahre in Trauer gewesen war und die Familie Grantworth eine unverhältnismäßig lange Zeit auf ihrem Landgut Prewitt Shore verbracht hatte, kannte sie nur wenige gleichaltrige junge
Damen. Aber natürlich konnte ihr Mangel an Freundschaften auch damit zusammenhängen, dass sie lieber auf ihrer Stute durch die Landschaft - und den Regents Park - streifte oder Bücher las, statt Besuche zu machen und vornehm Tee zu trinken. Nichtsdestotrotz war sie nun mehr als erfreut über die Gelegenheit, mit einem Mädchen ihres Alters zu plaudern.
    Als sie erneut die Kälte in ihrem Nacken fühlte, ließ Victoria den Blick für einen Moment über die dicht gedrängte Menschenmenge schweifen. Wo war er?
    »Also können Sie sich nun zu uns anderen heiratsfähigen jungen Damen gesellen, um auf Bällen zu patrouillieren und nach einem Ehemann Ausschau zu halten.«
    Überrascht von der Unverblümtheit ihrer neuen Bekanntschaft hörte Victoria auf, mit ihren Sinnen den Saal abzutasten. »Ich fühle mich tatsächlich ein wenig wie ein Rassepferd, das potenziellen Käufern vorgeführt wird. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass andere Debütantinnen dieses Gefühl teilen. Einen Ehemann zu finden ist schließlich eine überaus wichtige Aufgabe - zumindest behauptet das meine Mutter.«
    »Genau wie meine. Ich will damit nicht sagen, dass ich nicht gern heiraten und einem Erben das Leben schenken möchte; mich stört nur die Art und Weise, wie wir taxiert werden. Wenngleich es da ein paar Gentlemen gibt, von denen taxiert zu werden mich
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