Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten
Autoren: Robin Wasserman
Vom Netzwerk:
auf die andere Seite der Stadt gezogen«, erklärte er. »Deshalb erinnerst du dich wohl auch nicht an mich. Seitdem gehe ich hier auf die Prep. Wie gefällt’s dir hier bis jetzt?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    Â»Hör mal. Es geht mich vermutlich nichts an…«
    Ich machte mich schon mal auf das Schlimmste gefasst.
    Â»Ich hab gehört, was du vorhin zu Julianne gesagt hast.« Er musste mitbekommen haben, wie ich die Stirn runzelte, als ich den Namen hörte. »Im Chemieunterricht?«, fügte er hinzu. »Als sie dich gefragt hat, ob du Geschwister hast. Da hab ich dich erkannt. Und du hast zu ihr gesagt…« Er zögerte und zupfte an der steifen Ärmelmanschette seines Button-down-Hemds herum, das sogar für eine Privatschule zu spießig war. »Ich glaube, ich hatte recht. Es geht mich nichts an.« Er hielt mir die Hand hin. »Ich habe eine bessere Idee. Neue Schule, neuer Anfang, okay? Wir kennen uns noch nicht. Chris Moore.«
    Ich nahm seine Hand und schüttelte sie. »Nora Kane.«
    Unsere Hände berührten sich noch, als ein unverschämt hübsches Mädchen – lange schwarze Haare, mandelförmige Augen, lange Beine, die aus einem kurzen Rock herausragten, das ganze Programm – durch die Tür schwebte, vor uns auf die Knie fiel und die Ellbogen auf die Schreibablage von Chris’ Stuhl stützte. »Worüber wird hier geredet?«
    Â»Die Neue wird über die Höhe- und Tiefpunkte des Lebens an der Prep informiert«, sagte Chris. Plötzlich wurde mir klar, dass ich die Luft angehalten hatte. Doch er bestand den Test. »Ich hab ihr gesagt, dass noch Zeit ist, dorthin zurückzugehen, wo sie hergekommen ist, aber sie hört nicht auf mich. Willst du nicht mal mit ihr reden?«
    Das Mädchen lachte. »Ich glaube, du hast gerade Bekanntschaft mit einem der Tiefpunkte gemacht.« Sie gab Chris einen leichten Schubs, so einen, den man benutzt, wenn man nach einer Entschuldigung dafür sucht, jemanden zu berühren. »Und jetzt kannst du einen der Höhepunkte kennenlernen.«
    Mädchen wie sie hatte ich nie verstanden, was heißen soll, dass ich einfach nicht begriff, wie jemand um sieben Uhr morgens schon so perfekt aussehen konnte: die Haare gepflegt und trocken, Lipgloss, Wimperntusche, Grundierung und andere Arten von Make-up, deren Existenz ich noch nicht einmal erahnte, souverän aufgetragen, die Accessoires auf die Kleidung und auch noch auf die perfekt manikürten Fingernägel abgestimmt. Ich hingegen kam mit schöner Regelmäßigkeit zu spät zur Schule, mit wirren, nassen und – mehrere Monate im Jahr – gefrorenen Haaren, die ich in einen schiefen Knoten gezwungen hatte, mit nicht zusammenpassenden Socken und zu ganz besonderen Gelegenheiten auch mal mit hastig aufgetragener getönter Tagescreme aus der Drogerie, die jedoch nicht verschleiern konnte, dass meine Nase etwas zu groß für mein Gesicht war. Meine Mutter hatte einmal gedacht, es würde mich trösten, wenn sie mir erklärte, dass man für Schönheit – und die Anmut und das Selbstvertrauen, auf denen sie beruht – Geld brauche. Sie fügte keine mütterlichen Beteuerungen über natürliche Schönheit, wahre Schönheit oder innere Schönheit hinzu, die ich – wenn überhaupt – besaß, während ich nicht darauf hinwies, dass Geld nicht das Einzige war, was mir fehlte. Eine Mutter, die mir zeigt, wie man Lidschatten aufträgt, wäre auch ganz praktisch gewesen.
    Â»Adriane Ames«, sagte Chris, als zwei weitere Schüler das Klassenzimmer betraten und sich setzten. »Von dem, was sie so von sich gibt, kannst du neunzig Prozent getrost wieder vergessen.«
    Â»Und die anderen zehn?«, fragte ich.
    Â»Genial. Das behauptet sie jedenfalls.«
    Â»Ich sage ihm auch, dass er endlich mal zum Friseur soll.« Ihre manikürten Finger strichen über die krausen Locken, die in einem Afro von seinem Kopf abstanden. »Aber er hört ja nicht auf mich.«
    Mir gefielen seine Haare. »Das eben gehört eindeutig zu den neunzig Prozent«, meinte ich. »Die Chancen stehen wirklich nicht gut für dich.«
    Sie lachte wieder, ein überraschend schroffer Laut für ein derart zartes Geschöpf. Ihre Stimme war Musik, doch ihr Lachen war einfach nur Lärm. »Sie ist süß«, sagte Adriane. »Können wir sie behalten?«
    Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher