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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis
Autoren: Robert Ludlum
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verdanken Ihren glänzenden Ruf nicht zuletzt den Aufträgen, die Sie von mir erhalten haben.« Er war eine Handbreit größer als der Attentäter, breitschultrig, langbeinig. Beeinträchtigt wurde seine Erscheinung nur durch die bis zum Hals hinunter seltsam glasige, völlig unbehaarte Haut der linken Gesichthälfte.
    Er besaß das Charisma eines geborenen Führers … eines Mannes, mit dem nicht zu spaßen war. Man merkte ihm an, dass er in Machtzentren zu Hause war – in öffentlichen Foren ebenso wie in den dunklen Gassen von Verbrechervierteln.
    Chan genoss noch immer den Blick, mit dem Murat
    gestorben war. Dieser Blick war bei jedem anders. Aus Erfahrung wusste Chan, dass es keine Gemeinsamkeit gab, denn das Leben jedes Mannes war einzigartig, und obwohl alle sündigten, war die von diesen Sünden bewirkte Korrosion bei jedem anders – wie die Struktur einer Schneeflocke, die sich niemals wiederholte. Was war es bei Murat gewesen? Nicht Angst. Erstaunen, ja, Zorn, gewiss, aber auch eine tiefere Empfindung: Trauer über ein nun unvollendet bleibendes Lebenswerk. Die Analyse des letzten Blicks war immer unvollständig, das wusste Chan. Beispielsweise hätte er gern erfahren, ob auch ein Element des Verrats mitgespielt hatte. Hatte Murat gewusst, wer seine Ermordung befohlen hatte?
    Er sah wieder zu Stepan Spalko auf, der ihm einen dicken Umschlag mit Geld hinhielt.
    »Ihr Honorar«, sagte Spalko. »Und ein Bonus.«
    »Bonus?« Als von Geld die Rede war, konzentrierte Chan sich sofort auf die Gegenwart. »Von einem Bonus haben wir nie gesprochen.«
    Spalko zuckte mit den Schultern. Das rötliche Mondlicht ließ Wange und Halsseite wie eine blutige Masse leuchten. »Chalid Murat war Ihr fünfundzwanzigster Auftrag für mich. Nennen wir’s meinetwegen eine Jubiläumsprämie.«
    »Sehr großzügig von Ihnen, Mr. Spalko.« Chan steckte den Umschlag ein, ohne einen Blick hineinzuwerfen. Alles andere wäre höchst ungehörig gewesen.
    »Ich habe Sie gebeten, mich Stepan zu nennen.
    Schließlich sage ich Chan zu Ihnen.«
    »Das ist etwas anderes.«
    »Warum?«
    Chan stand unbeweglich da, nahm die Stille in sich auf. Sie sammelte sich in ihm, ließ ihn größer und breitschultriger wirken.
    »Ich brauche mich Ihnen gegenüber nicht zu rechtfertigen, Mr. Spalko.«
    »Ach, kommen Sie«, sagte Spalko mit einer beschwichtigenden Geste. »Wir sind doch keine Fremden. Wir teilen die ungeheuerlichsten Geheimnisse.«
    Die Stille nahm zu. Irgendwo in den Außenbezirken von Grosny erhellte eine Detonation den Nachthimmel, und Feuerstöße aus Maschinenpistolen knatterten in der Ferne wie Explosionen von Kinderknallkörpern.
    Endlich sprach Chan. »Im Dschungel habe ich zwei lebenswichtige Lektionen gelernt. Die erste war, dass man nur sich selbst rückhaltlos trauen kann. Und die zweite war, dass es wichtig ist, penibel auf zivilisierte Umgangsformen zu achten, denn allein die Tatsache, dass man seinen Platz in der Welt kennt, steht zwischen einem selbst und der Anarchie des Dschungels.«
    Spalko betrachtete ihn lange nachdenklich. Das Flackerlicht der Schießerei stand in Chans Augen, verlieh ihnen einen wilden Ausdruck. Spalko stellte ihn sich im Dschungel vor: das Opfer von Entbehrungen, die Beute von Gier und zügelloser, blutiger Grausamkeit. Der Dschungel Südostasiens war eine Welt für sich. Ein barbarisches, verpestetes Gebiet mit eigenen, seltsamen Gesetzen. Dass Chan dort nicht nur überlebt hatte, sondern gediehen war, stellte – zumindest für Spalko – den größten Teil des Mysteriums dar, das ihn umgab.
    »Ich würde gern glauben, wir wären mehr als Geschäftsmann und Auftraggeber.«
    Chan schüttelte den Kopf. »Der Tod hat einen besonderen Geruch. Ich rieche diesen Geruch an Ihnen.«
    »Und ich an Ihnen.« Über Spalkos Gesicht zog ein
    langsames Lächeln. »Sie stimmen mir also zu, dass uns etwas Besonderes verbindet.«
    »Wir sind Männer mit Geheimnissen«, sagte Chan,
    »nicht wahr?«
    »Wir beten den Tod an – wir verstehen beide seine Macht.« Spalko nickte zustimmend. »Ich habe mitgebracht, worum Sie mich gebeten haben.« Er hielt ihm einen schwarzen Schnellhefter hin.
    Chan sah kurz in Spalkos Augen. Sein scharfes Ohr hatte einen gewissen gönnerhaften Ton wahrgenommen, den er unverzeihlich fand. Wie er schon vor langer Zeit gelernt hatte, lächelte er über diese Kränkung und verbarg seine Empörung hinter der undurchdringlichen Maske seines Gesichts. Eine weitere Lektion, die er im Dschungel
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