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Das Böse unter der Sonne

Das Böse unter der Sonne

Titel: Das Böse unter der Sonne
Autoren: Agatha Christie
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aufgab. Ein sehenswerter Anblick, was?»
    «Sie ist hübsch – ja», erwiderte Christine Redfern zögernd und mit kühler Stimme. «Aber ich finde, sie sieht wie ein gemeines Biest aus.»
    Da mischte sich Emily Brewster ein. «Sie unterhielten sich eben über das Böse im Menschen, Monsieur Poirot», sagte sie. «Also, in meinen Augen ist diese Frau die Gemeinheit in Person. Durch und durch schlecht. Zufällig weiß ich eine Menge über sie.»
    «Ich erinnere mich an ein Mädchen, damals in Simla», bemerkte Major Barry. «Die hatte auch rote Haare. Sie war die Frau eines meiner Untergebenen und machte alle Männer verrückt. Natürlich hätten ihr die Frauen am liebsten die Augen ausgekratzt. Wegen ihr gab es mehr als einen Familienkrach.» Er kicherte zufrieden.
    «Der Ehemann war ein netter, ruhiger Kerl. Er küsste die Erde, über die sie ging. Hat nie was gemerkt – oder tat jedenfalls so.»
    «Solche Frauen sind eine Bedrohung», flüsterte Stephen Lane empört. «Eine Bedrohung für…» Er brach ab.
    Arlena Marshall stand jetzt am Wasser. Zwei junge Männer, kaum erwachsen, waren aufgesprungen und kamen eilig auf sie zu. Sie lächelte ihnen entgegen.
    Ihr Blick glitt an ihnen vorbei zu Patrick Redfern, der den Strand entlangging.
    Als beobachtete man eine Kompassnadel, dachte Hercule Poirot. Patrick Redfern wurde wie von magischer Kraft angezogen, seine Schritte änderten die Richtung. Ob sie wollte oder nicht – die Nadel musste den Gesetzen der Anziehungskraft gehorchen und sich nach Norden drehen. Patrick Redfern lief auf Arlena zu.
    Sie erwartete ihn mit einem Lächeln. Dann schlenderte sie nahe am Wasser den Strand entlang. Patrick Redfern blieb an ihrer Seite. Als sie zu einem großen Stein kamen, ließ Arlena sich darauf nieder, und Redfern setzte sich neben sie.
    Christine Redfern sprang auf und lief zum Hotel. Die andern blieben unbehaglich schweigend zurück. Schließlich meinte Emily Brewster: «Es ist wirklich zu schade. Sie ist ein so nettes kleines Ding. Die beiden sind erst ein oder zwei Jahre verheiratet.»
    «Die Frau, von der ich eben erzählte», sagte Major Barry. «Die in Simla. Sie hatte ein paar ganz glückliche Ehen auf dem Gewissen. Ein Jammer, was?»
    «Es gibt einen Typ von Frau», stellte Miss Brewster fest, «dem macht es Spaß, eine Ehe zu zerstören.» Und nach einer Minute des Schweigens fügte sie noch hinzu: «Dieser Redfern ist ein Idiot!»
    Hercule Poirot mischte sich nicht ein. Er beobachtete den Strand, ohne Patrick und Arlena Marshall weiter zu beachten.
    «Na, ich zieh lieber los und kümmere mich um mein Boot», sagte Miss Brewster. Sie ging davon.
    Major Barry blickte Poirot mit seinen Augen, die an gekochte Stachelbeeren erinnerten, leicht neugierig an. «Na, Poirot, was halten Sie von der Geschichte? Sie haben Ihren Mund bis jetzt noch nicht aufgemacht. Wie finden Sie unsere Sirene? Ganz schön scharf!»
    «Möglich», erwiderte Poirot.
    «Geben Sie’s doch zu, alter Knabe! Ich kenne euch Franzosen!»
    «Ich bin kein Franzose», bemerkte Poirot kühl.
    «Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie kein Auge für hübsche Mädchen haben? Was halten Sie von ihr?»
    «Sie ist nicht mehr jung.»
    «Was spielt das für eine Rolle? Eine Frau ist so alt, wie sie aussieht. Und sie sieht blendend aus!»
    Poirot nickte. «Ja, sie ist schön. Aber Schönheit ist nicht alles. Nicht nur, weil sie schön ist, sehen sie alle an – bis auf einen.»
    «Sie hat das gewisse Etwas, mein Junge», erklärte der Major. «Das ist es – das gewisse Etwas.» Dann fragte er plötzlich neugierig: «Worauf starrten Sie eigentlich die ganze Zeit?»
    «Ich beobachtete die Ausnahme von der Regel», erwiderte Poirot. «Ich beobachtete den Mann, der von ihrem Erscheinen keine Notiz genommen hat.»
    Major Barry folgte Poirots Blick zu einem Mann von etwa vierzig Jahren, mit hellem Haar und offenem gebräuntem Gesicht. Er saß da, rauchte Pfeife und las die «Times».
    «Ach, der!», rief Major Barry. «Das ist ihr Mann, alter Junge. Das ist Marshall.»
    «Ja, ich weiß.»
    Major Barry kicherte. Er war Junggeselle und beurteilte jeden verheirateten Mann nur im Licht dreier Möglichkeiten – entweder war der Mann ein Hindernis, eine Unannehmlichkeit, die man in Kauf nehmen musste, oder ein Schutz.
    «Scheint ein netter Kerl zu sein. Ruhig. Ich frage mich, ob meine ‹Times› gekommen ist.» Er stand auf und ging auf das Hotel zu.
    Poirots Blick wanderte zu Lanes Gesicht. Lane beobachtete
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