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Das Böse unter der Sonne

Das Böse unter der Sonne

Titel: Das Böse unter der Sonne
Autoren: Agatha Christie
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natürlicheres und gesünderes Leben leben. Sie gehen miteinander aus und – und – » Mrs Gardener errötete etwas, denn sie war eine unschuldige Seele. «Nun, sie finden nichts dabei, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
    «Ich verstehe sehr genau», erwiderte Hercule Poirot. «Es ist höchst bedauerlich!»
    «Bedauerlich?», quiekte Mrs Gardener.
    «Es gibt keine Romantik mehr, keine Geheimnisse. Heute ist alles genormt!» Poirot winkte in Richtung der bewegungslos daliegenden Gestalten. «Die Szene erinnert mich sehr an die Morgue in Paris.»
    «Aber Monsieur Poirot!» Mrs Gardener war entsetzt.
    «Körper, die nebeneinander auf Holzrosten liegen – die reinste Fleischbeschau.»
    «Monsieur Poirot, ist das nicht ein wenig zu weit hergeholt?»
    «Vielleicht, ja», musste Poirot zugeben.
    «Trotzdem!» Mrs Gardener strickte energisch. «Ich neige dazu, Ihnen in einem Punkt zuzustimmen. Die Mädchen, die da so in der Sonne liegen, werden an Armen und Beinen Haare bekommen. Das habe ich auch Irene gesagt. Irene ist meine Tochter, Monsieur Poirot. Irene, sagte ich, wenn du dich so von der Sonne braten lässt, wirst du überall Haare bekommen, an den Armen, an den Beinen, auf dem Busen, und wie siehst du dann aus? Das habe ich zu ihr gesagt. Nicht wahr, Odell?»
    «Ja, meine Liebe», erwiderte Mr Gardener.
    Alle schwiegen. Vielleicht malten sie sich im Geiste aus, wie Irene aussehen würde, wenn es zum Schlimmsten gekommen war.
    Mrs Gardener rollte ihr Strickzeug zusammen und bemerkte: «Ich frage mich…»
    «Ja, meine Liebe?», sagte Mr Gardener. Er zog sich etwas mühsam aus dem Liegestuhl hoch und nahm Mrs Gardener das Strickzeug und ein Buch ab. «Wie wär’s, wenn Sie mit uns was trinken gingen, Miss Brewster?», fragte er.
    «Nein, danke, im Augenblick nicht.»
    Die Gardeners machten sich auf den Weg zum Hotel.
    «Amerikanische Ehemänner sind großartig», stellte Miss Brewster fest, während sie ihnen nachblickte.
    Auf Mrs Gardeners Platz saß Pfarrer Stephen Lane. Mr Lane war ein großer, energischer Mann von über fünfzig mit braun gebranntem Gesicht und verbeulten dunkelgrauen Flanellhosen.
    «Was für eine schöne Gegend!», sagte er begeistert. «Ich bin von der Bucht bis Harford gelaufen. Und zurück über die Klippen.»
    «Ganz schön warm heute, beim Spazierengehen», sagte Major Barry, der sich nur ungern bewegte.
    «Gutes Training», erklärte Miss Brewster. «Ich war heute auch noch nicht rudern. Für die Bauchmuskeln ist Rudern das beste.»
    Etwas schuldbewusst glitt Poirots Blick zu der leichten Wölbung seines Bauchs.
    Miss Brewster, die diesen Blick bemerkte, meinte freundlich: «Den kriegen Sie bald weg, Monsieur Poirot, wenn Sie täglich rudern.»
    « Merci, Mademoiselle. Ich hasse Schiffe.»
    «Auch kleine Boote?»
    «Schiffe aller Größen!» Poirot schloss die Augen und erschauerte. «Der Seegang ist nicht angenehm.»
    «Mein Gott, das Meer ist heute so glatt wie ein Dorfteich!»
    «So etwas wie eine ruhige See existiert nicht!», entgegnete Poirot mit Nachdruck. «Das Wasser ist immer in Bewegung. Immer!»
    «Wenn Sie mich fragen», sagte Major Barry, «dann ist die Seekrankheit zu neunzig Prozent eine Frage der Nerven.»
    «Aus Ihnen spricht der begeisterte Segler», sagte der Kirchenmann mit leisem Lächeln, «nicht wahr, Major?»
    «Ich war nur einmal seekrank, als wir den Kanal überquerten. Nicht daran denken – das ist meine Devise.»
    «Die Seekrankheit ist wirklich etwas sehr Seltsames», grübelte Miss Brewster. «Warum leiden gewisse Leute darunter und andere wieder nicht? Es erscheint mir so unfair. Es hat nichts mit der eigentlichen Gesundheit zu tun. Auch kranke Leute können gute Segler sein. Jemand erzählte mir mal, dass es was mit dem Rückgrat zu tun hat. Da gibt’s sogar Leute, die können die Höhe nicht vertragen. Ich vertrage sie selbst nicht besonders, aber Mrs Redfern ist noch schlimmer dran. Als wir kürzlich auf dem Klippenweg nach Harford gingen, wurde ihr ganz schwindlig, und sie klammerte sich förmlich an mich. Sie erzählte mir, dass sie mal auf dem Mailänder Dom in einer Treppe feststeckte. Sie war hinaufgegangen, ohne an etwas Schlimmes zu denken, aber beim Runtergehen wurde ihr schwindlig.»
    «Dann sollte sie auch nicht die Leiter zur Feenbucht hinunterklettern», bemerkte Mr Lane.
    Miss Brewster zog eine Grimasse. «Ich drücke mich auch davor. Das ist etwas für die Jugend. Die Cowan-Jungen und der junge Masterman klettern ständig rauf und
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