Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
machen das gut. Und jetzt kehren Sie sie um – diese Zahlen. Brauchen Sie dafür einen Zettel? Ich glaube, ich habe ein Stück Papier …« Er widmet sich wieder eindringlich seinem Mantel und allen seinen Taschen.
    »Sieben fünf acht umgekehrt ist acht fünf sieben. So viel kann ich noch im Kopf behalten.« Was gar nicht schnippisch und undankbar klang, bevor sie es sagte, hörte, doch das war es eindeutig – zweifellos ist sie eine Spielverderberin. Nein, sie wird ins Unrecht gesetzt – dabei hatte sie überhaupt nicht ums Mitspielen gebeten.
    Der Mann zwinkert, bringt sich bis kurz vor ein Grinsen, verschwörerisch, charmant. »Aber Sie hatten sieben zwei acht gewählt …« Er räuspert sich. »Wenn sieben fünf acht besser wäre …« Wieder flackert Erheiterung in seinen Augen.
    »Wäre es.«
    »Schön.« Auch wenn er einen Moment die Stirn runzelt, überlegt, dann: »Nun können Sie die beiden Zahlen also voneinander abziehen – acht fünf sieben minus sieben fünf acht. Wie viel gäbe das?«
    »Das wäre … Neun … das wäre neunundneunzig.«
    »Und eben nicht sechsundsechzig, mit einem anderen Blickwinkel … Und wenn man die beiden Ziffern addiert – eine neun und noch eine neun – das wäre …«
    »Achtzehn.«
    »Und dann ziehen wir die eins von der acht ab. Weil wir sie einfach nicht zufriedenlassen können. Die arme achtzehn.«
    »Sieben.«
    »Sieben. Was die Zahl ist, an die Sie zuerst gedacht haben, nicht wahr …? Seltsam. Sieben. Und ich werde … ich werde Ihnen die sieben zeigen. Sozusagen. Ich habe sie hier.« Diesmal greift er entschlossener in den Mantel und zieht ein zerlesenes Buch aus einer der Taschen – den Umschlag kann sie nicht sehen. »Würden Sie sagen, Sie sind entschlossen, ein entschlossener Mensch? Wenn ich fragen darf …« Der Mann dreht den Kopf zu Derek und grinst, blitzschnell jungenhaft geworden, und entspannt seine Züge dann wieder. »Ist die Dame entschlossen? Ich habe keine Ahnung, aber sie wirkt so – bewundernswert, wenn ich das sagen darf – darum frage ich – ich würde nicht fragen, wenn ich es nicht für wahrscheinlich hielte – Entschlossenheit zeigt sich im Gesicht – wie auch … Barmherzigkeit zum Beispiel – Freundlichkeit – Verrat, Trauer …«
    Er kann den Mund nicht halten. Er steckt darin fest, muss bis zum Ende weiterreden. Geplapper. Plappern gehört zum Handwerk, egal, was kommt. Ein Mann, der Quatsch auswendig lernt und ihn dann aufdrängt.
    »Sind Sie ihr Ehemann? Freund? Geht mich nichts an – aber eine reizende Idee, zusammen eine Kreuzfahrt zu machen. Gibt nichts Besseres, würde ich sagen.«
    Und der Fremde dreht sich mit einem Nicken wieder zu Elizabeth, stellt den Blick scharf, zwinkert, während er redet und redet, die Stimme leise, aber unausweichlich. Er reicht ihr das Buch und sagt: »Entschlossenheit kann Sie verändern. Und sich selbst zu verändern kann fast alles verändern. Glauben Sie das?« Kein Raum für ihre Antwort, denn gleich rasselt er weiter, »Ich kann es beweisen. Gewissermaßen. Auf triviale, wenn auch vielleicht unterhaltsame Weise. Wenn Sie das Buch nehmen und fest genug an Ihre Zahl denken, an die sieben – wenn Sie die sieben in der Brust spüren, in Ihrem Puls, wenn Sie die Zahl im Kopf schreien – sie innerlich brüllen – dann wird diese sieben so wahr, dass ihr Kern, ihre Kraft unwiderstehlich ist – wenn Sie das tun und immer weiter tun, dann können Sie das Buch aufschlagen und zur Seite sieben blättern, und Sie werden sehen …«
    Gehorsam schlägt sie das Buch wie geheißen dort auf und sieht nichts Ungewöhnliches.
    »Und Sie schreien weiter und blättern um …«
    Das tut sie und stellt fest, dass es, praktisch und vorhersehbar, keine Seite acht gibt. Zwei Seiten hintereinander tragen die Nummer sieben – als sei die sieben irgendwie ansteckend, durchs Papier gesickert.
    »Und Seite achtzehn, wie wir uns vorstellen können …«
    Bietet sich wiederum als Seite sieben dar.
    »Die Zahlen.« Sie reicht ihm seinen Trick zurück. »Clever. Vielen Dank.«
    »Nicht der Rede wert.« Und er zieht seinen Mantel an, was unnötig scheint – der Warteraum ist zwar öde, aber nicht kalt.
    »Muss seltsam zu lesen sein – so ein Buch.«
    »Mag sein.« Er steckt das Buch, das vielleicht seltsam zu lesen ist, wieder in die Tasche, schüttelt die Ärmel aus, dann das Revers, bis die Ordnung, die er beabsichtigte, hergestellt ist. »Aber Bücher drehen sich nicht um Zahlen, oder? Sie sind Geschichten –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher