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Das Auge der Fatima

Das Auge der Fatima

Titel: Das Auge der Fatima
Autoren: Franziska Wulf
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angeboren.«
    Beatrice musste lachen.
    »Soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen? Das ist ziemlich ...«
    Das Läuten des Telefons, das hinter Thomas an der Wand hing, unterbrach sie. Lässig angelte er nach dem Hörer.
    »Breitenreiter«, nuschelte er und machte sich nicht einmal die Mühe, die Zigarette aus dem Mund zu nehmen. »Oh, natürlich. Ich gebe sie Ihnen. Sie sitzt mir gegenüber. Für dich, Bea. Deine Mutter.«
    Beatrice runzelte die Stirn. Sie mochte es nicht, wenn ihre Familie bei ihr im Krankenhaus anrief. Sie hatte es ihrer Mutter eingeschärft. Selbst wenn sie Michelle aus dem Kindergarten abgeholt hatte und das bald vierjährige Mädchen unbedingt und jetzt sofort ihre Mama sprechen wollte, hatte sie es den beiden verboten. Michelle konnte bis zum Abend warten. So schwer es manchmal auch für die Kleine war, sie musste sich daran gewöhnen. Im Krankenhaus anzurufen hatte immer den Beigeschmack eines Notfalls, eines Unglücks. Außerdem sah es der Chef nicht gern. Beatrice stand auf und nahm Thomas den Hörer ab.
    »Ja?« Sie merkte selbst, wie unwirsch sie klang. Doch als sie die Stimme ihrer Mutter hörte, wich ihr Zorn einer abgrundtiefen Angst. Ihre Mutter klang verzweifelt. Sie hatte geweint. Irgendetwas war passiert. Ein Unglück, etwas ganz Schreckliches.
    »O Beatrice ...«, schluchzte sie.
    »Was ist?«, unterbrach Beatrice ihre Mutter und merkte, wie die Furcht langsam ihre Kehle zuschnürte. Ihr Vater hatte vor zwei Jahren einen Herzinfarkt erlitten. War er etwa wieder ...? »Was ist passiert? Nun rede doch endlich. Ist etwas mit Papa? «
    »Nein«, antwortete Frau Helmer mit tränenerstickter Stimme. »Es ist Michelle, sie ist ...«
    »Was? « Beatrice brüllte in den Hörer hinein. Sie fühlte sich, als hätte ein Laster sie gerammt. »Michelle? Was ist mit ihr?«
    »O Beatrice! Wir sind im Krankenhaus. Die Ärzte sagen ... Sie sagen, unsere Kleine liegt im Koma!«
    Beatrice hatte den Eindruck, der Boden würde unter ihren Füßen nachgeben. Die Welt um sie herum wurde schwarz, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Koma. Ihre Tochter, dieses kleine fröhliche Wesen mit den blonden Haaren und den großen leuchtend blauen Augen ... Nein. Sie hatte sich verhört. Sie musste sich verhört haben. Weshalb sollte ihre Tochter denn auch ins Koma fallen? Michelle litt weder an Diabetes noch an einer anderen Stoffwechselkrankheit, und sie hatte keinen Herzfehler. Konnte also höchstens ein Tumor ... oder ein Unfall ... Michelle fuhr so gerne mit ihrem neuen Fahrrad die Straße vor ihrem Haus auf und ab.
    »Wo seid ihr jetzt?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Krächzen.
    »Im Wilhelms-Stift. Bitte komm ...«
    Doch was ihre Mutter noch sagte, hörte Beatrice nicht mehr. Wie in Trance drückte sie auf die Gabel.
    »Welche Piepser-Nummer hat der Chef?«, fragte sie Thomas. Ihre Zunge war so trocken, dass sie am Gaumen klebte. »3408.«
    Sie wählte. Die Wählscheibe drehte sich unendlich langsam. Das war ihr noch nie zuvor aufgefallen. Warum gab es hier eigentlich kein modernes Tastentelefon? Da sollten die Unternehmensberater mal ansetzen. Wertvolle Zeit ging verloren, wenn man so lange auf die Wählscheibe warten musste. Endlich, nach einer halben Ewigkeit, hörte sie das Zeichen, dass der Piepser ihren Ruf akzeptiert hatte, und legte auf. Ihr Blick fiel auf die Uhr, die über der Tür des Aufenthaltsraums hing. Es war zwei Minuten vor halb drei. Eine qualvolle Minute lang wartete sie, dann läutete das Telefon wieder. Die schnarrende Stimme ihres Chefs mit dem singenden österreichischen Akzent meldete sich.
    »Dr. Mainhofer, hier Helmer. Ich muss mich abmelden. Meine Tochter wurde eben ins Kinderkrankenhaus eingeliefert. «
    »Aha.« Hatte der Kerl nicht mehr dazu zu sagen? Nur Aha? Kein Tut mir Leid? Nichts, was seine Anteilnahme ausdrückte? »Wie sieht es bei Ihnen auf der Station aus?«
    Noch nie zuvor war Beatrice die Stimme ihres Chefs so kühl und emotionslos erschienen. Hatte dieser Mann denn gar kein Herz? Ihr Kind, ihre fast vierjährige Tochter lag im Krankenhaus. Sie musste doch zu ihr! Das sollte doch selbst einem Eisblock klar sein. Aber tief in ihrem Innern regte sich eine Stimme, die Dr. Mainhofer verteidigte. Er tat nur seine Pflicht. Egal, von welchen Schicksalsschlägen sein Personal auch betroffen sein mochte, er musste stets zuerst an die Patienten denken. Sie mussten versorgt sein.
    »Ich weiß nicht ...«
    Konnte Thomas wirklich Gedanken lesen, oder hatte er die
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